Der Schwarze Orden
Speisekarten und eine Weinkarte. Er sagte, sie sollten in Ruhe wählen, er käme später wieder zurück. Tweed sah auf Karin Bergs Armbanduhr.
»Das Geschenk eines Verehrers? Sie müssen jede Menge davon haben.«
»Armbanduhren?«
»Nein, Verehrer natürlich«, sagte Tweed galant.
»Um ehrlich zu sein, habe ich sie mir selbst gekauft. In letzter Zeit hatte ich nicht mehr viel mit Männern zu tun.«
»Warum nicht? Das war früher aber anders. Und Sie sind doch höchstens knapp über dreißig.«
»Mein Job läßt mir keine Zeit mehr dafür. Wenn ich ein paar freie Stunden habe, schlafe ich gewöhnlich – um für die nächste berufliche Herausforderung fit zu sein.
Eine führende Position in der Sicherheitsbranche erfordert, wie Sie wissen, vollen Einsatz. Und wie sieht es bei Ihnen aus? Sie haben doch sicher auch die eine oder andere Freundin?«
»Mein Job läßt mir keine Zeit dafür«, griff er ihre Antwort auf. »Aber vielleicht sollten wir erst einmal bestellen – das Essen soll sehr gut sein…«
Er hielt die Speisekarte so, daß er unauffällig das Ufer und den See dahinter beobachten konnte. Es war immer noch sehr heiß, und die Luft schien förmlich zu dampfen, obwohl die Sicht vollkommen klar war. Das gegenüberliegende Seeufer war mit Lichtern gesprenkelt, ähnlich Karin Bergs Armbanduhr, auf die sie gerade wieder verstohlen geblickt hatte.
Draußen auf dem See glitt ein Dampfer vorüber, hell erleuchtet, wie ein Weihnachtsbaum. Als das Stimmengewirr auf der Terrasse einen Moment verstummte, konnte Tweed von dem Dampfer Tanzmusik über das spiegelglatte Wasser des Sees herüberklingen hören.
Er hatte erwartet, daß Karin Berg verhalten mit ihm flirten würde, wie sie das früher immer getan hatte. Statt dessen hielt sie den Blick auf die Speisekarte gesenkt. Er betrachtete sie. Mit ihrem naturblonden Haar, ihrem makellosen Gesicht und ihrer angenehmen Stimme war sie eine außerordentlich attraktive Frau. Dazu kam, daß sie hochintelligent war.
Tweed riß den Blick von ihr los und blickte wieder auf den See hinaus. Eine Motorbarkasse kam langsam auf die Hotelterrasse zu. Sie hatte ein hohes Vordeck und eine luxuriös wirkende Kajüte. Sie war noch etwa zweihundert Meter entfernt, aber im Mondschein deutlich zu erkennen, obwohl außer den Positionslichtern nirgendwo an Bord ein Licht brannte.
Weiter draußen auf dem See fuhr ein Motorboot ständig im Kreis. Bestimmt hatte der Besitzer eine Freundin an Bord und das Ruder festgebunden. Tweed nahm an, daß es enorme Geschwindigkeiten erreichte, wenn es geradeaus fuhr.
»Haben Sie schon gewählt?« fragte er Karin.
»Ich weiß bereits, was ich nehme.« Sie bedachte ihn mit ihrem rätselhaften Lächeln.
»Sie haben recht. Die Speisekarte liest sich sehr vielversprechend.«
Der Kellner erschien, und sie bestellten. Nachdem er sich mit Karin beraten hatte, bestellte Tweed eine Flasche Wein. Er sah nicht auf den Preis. Sie zog die Augenbrauen hoch, als der Kel ner ging.
»Mit dem Wein haben Sie sich aber nicht lumpen lassen. Zufällig ist es meine Lieblingssorte. Aber vermutlich wissen Sie das noch von früher. Sie haben wirklich ein phänomenales Gedächtnis.«
Fast hätte Tweed eine Bemerkung fallen lassen, was für ein romantischer Abend es war, tat es dann aber doch nicht. Trotz der gelösten Atmosphäre um sie herum, riet ihm eine innere Stimme hartnäckig, auf der Hut zu sein. Allerdings wußte er noch nicht, vor was.
Bis auf den Bereich, wo der Mond eine Straße aus Licht über das Wasser warf, sah der See inzwischen aus wie schwarzes Eis. Nicht die kleinste Welle kräuselte seine Oberfläche. Die Barkasse hatte inzwischen etwa zweihundert Meter vom Ufer entfernt angehalten. Das Motorboot drehte weiter seine Runden.
Der Wein floß in Strömen, und entsprechend wurden die Stimmen auf der Terrasse lauter, das Gelächter ausgelassener. Tweed sah zu den Tischen, an denen die zwei einzelnen Männer gesessen hatten. ›Hitler‹ schlang hastig sein Essen hinunter, als ärgerte er sich, daß er versetzt worden war. Der Mann im Schatten der Büsche saß immer noch fast vollkommen reglos da und hielt, ohne daraus zu trinken, ein Glas an seinen Mund.
Tweed und Karin Berg waren mittlerweile beim Hauptgericht angelangt, und Karin aß mit sichtlichem Genuß. Plötzlich wurde sie auffallend gesprächig.
»Sie sollten sich wirklich eine Freundin zulegen, Tweed.«
»Sie und Ihre guten Ratschläge«, wies er sie freundlich in die Schranken.
»Nein,
Weitere Kostenlose Bücher