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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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das Erstere stets zu einer idealisierten Darstellung und Letztere zu einer diffamierenden Darstellung neigten.
    Plötzlich rannte einer der Messeteilnehmer an Sandro vorbei nach draußen, ein noch sehr junger Mann in einem roten Talar, offensichtlich also einer der künftigen Schüler des Collegiums. Er wirkte gehetzt. Sandro sah ihm hinterher …
    »Den Kelch des Heiles will ich ergreifen und anrufen den Namen des Herrn«, ertönte es laut vom Altar her, und Sandros Aufmerksamkeit richtete sich gezwungenermaßen wieder in den Kirchenraum. Der Jesuit, der die Messe las und nun im Begriff war, die Heilige Kommunion zu spenden, war von imposanter Statur, groß und kräftig, mit einem besonders großen Kopf und einem energischen Zug im Gesicht, und an seinem Dialekt erkannte Sandro, dass es sich um einen Deutschen handelte, denn Antonia sprach im selben Dialekt. Er segnete jeden Einzelnen der Kommunikanten, die sich, ihrem Rang gemäß, vor ihm aufreihten. Sandro empfing die Kommunion als einer der Letzten.
    »Der Leib unseres Herrn Jesus Christus bewahre deine Seele zum Ewigen Leben.«
    »Amen«, sagte Sandro und der jesuitische Priester legte ihm das gebrochene Brot auf die Zunge. Nach ihm folgten nur noch Angelo sowie die beiden Schüler in ihren roten Talaren.

    Statt mit der Liturgie fortzufahren, verharrte der jesuitische Priester, und Sandro fragte sich, worauf er wohl warte. Eine Weile verging, in der nichts geschah, bis der Schüler, der vorhin hinausgerannt war, zurückkehrte. Er schritt zum Altar, der Priester brach ein großes Stück Brot und übergab es dem Schüler, der halb andächtig, halb schuldbewusst den Kopf senkte.
    »Amen.«
    Nach dem Ende der Messe - es schlug die siebte Stunde - zog eine Gruppe von etwa zwanzig Menschen an Sandro vorbei durch das Portal ins Freie, um auf der anderen Seite der Gasse sofort wieder vom Collegium verschluckt zu werden. An der Spitze der Gruppe schritt ein in sich gekehrter, glatzköpfiger Mann mit kleinen Ohren, der Sandro nicht angesehen hatte, und doch hatte Sandro das Gefühl gehabt, von ihm bemerkt worden zu sein.
    Und dieses - eher unangenehme - Gefühl blieb präsent, ja, verstärkte sich noch. Im Speisesaal angekommen, stellte jeder aus dem Zug sich hinter einen Stuhl. Die Tische waren in eirunder Form angeordnet, und Ignatius hatte den Platz an der oberen Krümmung inne. Er hielt, bevor man gemeinsam das Abendmahl einnehmen würde, eine kleine Ansprache. Es gingen weder Strenge noch Kälte von ihm aus. Seine Stimme war sanft, seine Miene und die zu Boden blickenden Augen waren von Gelassenheit erfüllt, trotzdem glaubte Sandro die ganze Zeit über, von Ignatius skeptisch beobachtet zu werden. Er hielt es allerdings für möglich, dass jeder in diesem Raum dasselbe Gefühl hatte.
    »… und so wird es von unser aller Entschlossenheit und Verbundenheit abhängen, ob diese neue Lehranstalt den großen Ambitionen, die mit ihr verknüpft sind, Genüge tut.« Ignatius machte eine ziemlich lange Pause, in der die Stille im Saal nur von gelegentlichem Räuspern unterbrochen wurde. »Meine Brüder und meine Schüler des Collegium Germanicum. Morgen
ist der erste Unterrichtstag. Am Anfang wird alles noch ein wenig ungeordnet vonstatten gehen, aber die familiäre Atmosphäre dieses Hauses wird es ermöglichen, schnell die Ordnung herzustellen. Eine kleine Schülerzahl hat den Vorteil, dass man sich besser auf steigende Schülerzahlen vorbereiten kann. Auch der Ölbaum, unter dem Jesus Christus ruhte, gedieh nicht über Nacht, sondern erreichte sein hohes Alter durch sparsames Wachstum. So soll es sein. Da jedoch auch eine kleine Schule wie diese einen Rektor benötigt, werde ich in den nächsten Tagen eine Entscheidung bekannt geben.«
    In diesem Moment machte Sandro eine interessante Entdeckung. Sein Blick war während der Ansprache des Ignatius über die anderen Personen im Saal geglitten. Neben ihm stand ein korpulenter Mitbruder mittleren Alters mit einem Atemgeräusch, wie man es haben kann, wenn man die Abruzzen bestiegen hat, nicht aber im Ruhezustand nach einem Gottesdienst. Der etwa mittvierzigjährige Bruder daneben - es handelte sich um den stimmkräftigen Jesuiten, der die Messe gelesen und die Kommunion erteilt hatte - fühlte sich offensicht lich davon gestört, denn er stieß ihn leicht an und runzelte die Stirn in strenger, höchst tadelnder Weise, von der sich der Dicke auch durchaus beeindrucken ließ, denn er atmete von da an zwar immer noch tief und

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