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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Winternacht hinauszutreten. Sandro fiel es schwer, sich auf dieses nervöse Gestotter einzulassen, und so gingen seine Gedanken wieder zum »Fall Carlotta«, wie Angelo es genannt hatte. War Antonia jetzt gerade dabei, eine Beschreibung des Mannes zu bekommen, der die Huren nach Carlottas Leben ausgefragt hatte? War es derselbe Mann, den die Greisin als Schatten gesehen hatte?
    Wieder fiel ihm ein, dass Angelo Carlotta gekannt hatte. Er sah ihn an, ohne dass Angelo, der der misslungenen Lesung lauschte, es bemerkte. Wäre es sehr taktlos, Angelo eine Frage zu stellen, die ihn möglicherweise in Verlegenheit brächte?
    »Angelo, woher hast du …«
    Sandro kam nicht weiter, denn etwas Grauenhaftes ging vor sich. Der vorlesende Schüler hielt inne, riss die Augen auf und starrte auf die Heilige Schrift wie auf ein Ungeheuer, auf den Satan. Seine Hände umklammerten das Pult.
    Niemand sagte etwas, keiner tat etwas. Alles passierte zu plötzlich. Außerdem: Was passierte eigentlich? Der junge Mann - Sandro erinnerte sich nur noch, dass er Johannes hieß - war erstarrt, gerade so, als habe ihn der Blick der Medusa in Stein verwandelt.

    Doch dann - niemand würde je diesen Moment vergessen - sog der Schüler den Atem mit einem schauerlichen Röcheln ein, voller Gier nach Luft, nach Leben, ein verzweifeltes Geräusch, dem eine verzweifelte Geste folgte. Er griff sich an die Kehle.
    Nun sprang der Mann neben Ignatius auf, der Bärtige im Gelehrtengewand, sodass sein Stuhl umkippte, und eilte zu dem Schüler.
    »Kannst du noch sprechen? Fühlst du Schmerzen? Ist es ein Krampf? Gib mir ein Zeichen, Junge, irgendein Zeichen.«
    Doch Johannes reagierte nicht. Noch immer umklammerte er seine Kehle, als wolle er sich selbst erwürgen.
    Der Mann schlug dem Schüler kräftig mit der flachen Hand mehrmals auf den Rücken. Dem ersten Röcheln folgten ein zweites und ein drittes, dazwischen lagen lange Pausen, die sich wie Abgründe auftaten, gefüllt mit Stille. Die Blicke aller hingen an diesen jungen, zitternden Lippen, jeder hoffte, der Abgrund würde überwunden, dem Röcheln würde ein befreites Atmen folgen.
    Das vierte Röcheln.
    »Er muss sich hinlegen. Schnell«, rief der Mann, und da war Sandro schon fast bei ihm. »Bringen wir ihn in sein Zimmer.«
    »Kannst du laufen?«, fragte er den Schüler und erhielt ein Nicken als Antwort. Gott sei Dank, eine Reaktion, noch dazu eine positive. Tatsächlich konnte Johannes laufen, sogar ganz normal.
    Das fünfte Röcheln.
    »Was hat er nur?«, fragte Sandro.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete der Mann. »Verschluckt hat er sich anscheinend nicht. Schlagt ihm trotzdem weiter auf den Rücken.«
    Sandro tat es, während der Mann die Hände des Schülers gegen dessen Widerstand von seiner Kehle löste.

    »Ich muss deinen Hals befühlen, Junge«, mahnte der Mann, doch Johannes griff sich immer wieder an die Kehle.
    Der dicke Mitbruder lief indessen vor ihnen her und führte sie in einen schmalen Flur neben dem Speisesaal. Links und rechts waren etliche Türen. Er öffnete die dritte Tür auf der linken Seite. Dort legte man den Kranken auf ein schlichtes Bett. Sandro hielt Johannes die Arme fest, damit der bärtige Mann, der wahrscheinlich Arzt war, seine Untersuchung beginnen konnte.
    Das sechste Röcheln.
    Die anderen Männer drängten sich in den kleinen Raum hinein. Da rief Ignatius: »Hinaus. Alle gehen bitte wieder in den Saal zurück.«
    Die »Bitte« wurde umgehend befolgt. Ignatius blieb, schloss die Tür und verhielt sich ruhig.
    Das siebte Röcheln.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte der Arzt. »Sein Atem geht regelmäßig, wenn auch in viel zu großen Abständen und sehr schwer. Trotzdem scheint nichts seine Atemwege zu verstopfen, auch kein Schleim. Es ist wie ein - ein Krampf. Oder eine innere Schwellung.«
    »Möglicherweise verträgt er eine bestimmte Speise nicht«, schlug Sandro vor.
    Der Arzt überlegte. »Bitte, Bruder, geht zu Bruder Birnbaum und sagt ihm, er soll einen Tee aus Eibischblättern sowie einen Wickel aus Huflattich vorbereiten. Hoffentlich hat er alles da. Ansonsten irgendetwas anderes Krampflösendes: Anis, Baldrian … Und ich brauche meine Tasche. Erster Stock, linke Tür, auf dem Stuhl. Beeilt Euch. Hier geht es um Leben und Tod.«
    Das achte Röcheln.
    Sandro lief aus dem Zimmer in den Speisesaal. »Bruder Birnbaum?«
    Der Dicke hob die Hand, und Sandro wiederholte ihm, was
ihm der Arzt aufgetragen hatte, dann rannte er die Treppe hinauf. Das Holz

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