Der Schwarze Papst
Dann erfolgte die Ablehnung seiner Bewerbung als Rektor und die damit einhergehende Gewissheit, dass seine ehrgeizigen Pläne sich unter Loyola und innerhalb des Jesuitenordens, so wie er bestand, nicht verwirklichen
ließen. Daher setzte er alles auf eine Karte und forcierte seine Absicht, den Orden zu spalten. Simon Rodrigues ist zusammen mit dem Ehrwürdigen der Letzte der siebenköpfigen Schwurgemeinschaft von Montmartre, der zweite Mann hinter Loyola. Mit ihm vorneweg konnte eine Spaltung gelingen. Für eine Übergangszeit von etwa einem Jahr würde Simon Rodrigues an die Spitze des sezierten Ordens treten und hernach Luis de Soto Platz machen. Doch dann traten zwei Probleme auf: Simon Rodrigues zauderte. Er ist kein Intrigant, Umstürzler oder Verräter, er will bloß seine spezielle Form von Spiritualität in der Provinz praktizieren. Sein Gewissen meldete sich zu Wort. Außerdem musste der portugiesische König João III. gewonnen werden, denn er hat ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, wenn ein Orden auf seinem Grund und Boden, ein Orden, der sich auch noch seiner Flotte bedient, um in die Welt zu reisen, sich anschickt, eigenständig zu werden. Das erste Problem löste Luis, indem er den Papst vor wenigen Tagen dazu brachte, der Spaltung seinen Segen zu geben, was Simon Rodrigues’ Zweifel zerstreuen würde. Um das zweite, größere Problem zu lösen, benötigte er viel Geld, das der ewig klamme João III. für seine stillschweigende Duldung der Ordensrevolution verlangte. Wie ich mittlerweile erfahren habe, handelte es sich um achtzigtausend Golddukaten. Woher so viel Geld nehmen? Als habe Gott der Herr höchstselbst die Nöte Luis de Sotos erkannt und ihm Abhilfe versprochen, erschien Johannes …«
»Ihr redet und redet über eine Verschwörung, Mann, mit der ich nichts zu tun habe«, unterbrach der Mörder.
»Das ist wahr. An der Verschwörung seid Ihr völlig unbeteiligt, und trotzdem ist sie der Grund, dass drei Menschen sterben mussten, Menschen, die Ihr auf grausame Weise getötet habt. Als de Soto erkannte, wie reich Johannes war, umgarnte er ihn mit süßen Worten, belieferte ihn mit Wein, gewann
ihn mit Anerkennung. Eines habe ich Luis de Soto nie abgesprochen: Menschenkenntnis. Er wusste genau, wie er diesen etwas überspannten Weltverbesserer auf seine Seite ziehen konnte. Lasst mich kurz spekulieren: Luis tat so, als nehme er Johannes ernst, und genau das hatte Johannes sich mehr als alles andere gewünscht. Luis erfand sein eigenes religiöses Erlebnis, erhob Johannes in den Rang eines gottgesandten Heidenbekehrers, versprach ihm eine große Zukunft im neuen Orden von Coimbra, eine Zukunft als oberster Missionar von China und was weiß ich noch alles, und Johannes sah sich nah am Ziel seiner größten Wünsche. Doch dann teilte Luis ihm mit, dass der große Plan vermutlich am Geld scheitern werde, woraufhin Johannes, dem sein Erbe nichts bedeutete und der ohnehin vorhatte, für immer Missionar zu werden, großzügige Hilfe versprach. Er hatte tatsächlich vor, den größten Teil des Vermögens herzugeben und die festen Güter dazu. Das Schloss wäre verkauft und der Erlös dem Orden von Coimbra überschrieben worden. Mit einem Schlag wären die Donaustaufs, um Jahrhunderte zurückgeworfen, wieder kleine, mittellose Landadelige gewesen, ruiniert wegen eines exaltierten Möchtegern-Mystikers, der auf einem Spaziergang im Wald in einem halbtrunkenen Zustand wirre Stimmen hörte und Visionen von Chinesen hatte.«
Sandro ging zum Fenster zurück. Die Wolken ballten sich zu Ungetümen zusammen und grollten dumpf.
»Wenn man sich vorstellt«, sagte Sandro, »wie wenig es braucht, um einen Orden zu zerschlagen: einen Ehrgeizling mit Intelligenz und einen Dummkopf mit Geld. Erschreckend, nicht? In ein paar Wochen wäre es so weit gewesen. Die Ordensprovinz Coimbra hätte sich für unabhängig erklärt, und damit wären auch die Überseeprovinzen verloren gewesen. Und alle, die es hätten verhindern können, hätten nichts dagegen unternommen: König João III. wegen des Geldes, der Papst, weil er die unverhoffte
Gelegenheit sah, die wachsende Macht Loyolas und des Ordens einzudämmen.«
Sandro drehte sich um und sah den Mörder an. »Aber so wenig, wie es brauchte, eine solche Verschwörung erfolgreich durchzuführen, so wenig brauchte es, sie zum Einsturz zu bringen. Es bedurfte nur eines einzelnen, uneingeschränkt entschlossenen Mannes. Es bedurfte nur Eurer, Magister Duré.«
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Der
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