Der Schwarze Papst
über in Rom, wie wir überhaupt jeden Winter hier sein wollen. Wir haben vor, ein langes, glückliches Leben miteinander zu verbringen.«
»Wer hätte das nicht vor? Und Ihr, Signore Ried? Welche Pläne habt Ihr?«
Tilman Ried schrak auf. »Pläne? Ich - ich verstehe nicht.«
»Werdet Ihr das Studium am Germanicum aufnehmen?«
Ried atmete auf. »Nein, ich verlasse das Collegium. Mein
Vater wird Verständnis dafür haben, angesichts der schrecklichen Mordfälle, die es hier innerhalb von wenigen Tagen gegeben hat. Ich hoffe, dass man so anständig sein wird, meinem Vater die Schulgebühr zurückzuerstatten.«
»Und wenn nicht?«
»Tja, dann eben nicht.«
»Ihr werdet Rom also bald verlassen?«
Er zögerte. »Nicht sofort …«
»Verstehe.«
Forli hätte am liebsten einen fahren lassen, einen richtig lauten, aber er beschränkte sich darauf, Carissimi einen fragenden Blick zuzuwerfen, woraufhin er leider nur dieses dämliche Carissimi-Grinsen als Antwort erhielt. Wie Forli ihn kannte, dachte Carissimi sich irgendetwas bei dem Geschwätz, er hatte allerdings weder ihn noch Angelo eingeweiht. Carissimi machte es bei der Auflösung seiner Mordfälle gerne spannend, und solange er ein freudloses Mönchsleben geführt hatte, hatte Forli ihm diese Geheimniskrämerei auch gegönnt. Seit Carissimi jedoch Antonia Bender hatte, fand Forli, sie müsste eigentlich Spaß genug in sein Leben bringen und er könnte die anderen Freuden mit seinen Freunden teilen. Aber nein …
»Befindet der Ehrwürdige sich wohl, Magister Duré?«
»Auf dem Weg der Besserung, würde ich sagen. Der Ehrwürdige hat etwas Brot gegessen und hält jetzt einen längeren Mittagsschlaf. Er hat Bruder de Sotos Tod besser verkraftet, als ich befürchtet habe.«
»Wann wird er, Eurer Erfahrung nach, erwachen?«
»Zur vierten Stunde des Nachmittags.«
»Das ist Zeit genug«, sagte Carissimi und löste damit allgemeine Neugier aus, auf die er selbstverständlich nicht reagierte. Stattdessen schälte er in aller Seelenruhe eine Languste und teilte sie in drei winzige Stücke, die er genussvoll aß. Als alle
sich wieder einigermaßen beruhigt hatten, begann er neuerlich mit seiner Konversation.
»Ihr werdet ganz von vorn anfangen müssen, Bruder Königsteiner. Alle drei Schüler sind für Euch verloren.«
»In der Tat, Bruder Carissimi, Ihr sprecht wahr. Wir planen einen Neubeginn, oder besser gesagt, wir planen eine zweite Eröffnungsfeier, so als habe es die erste nie gegeben. Für Oktober erwarten wir sieben neue Schüler, mit denen haben wir hoffentlich mehr Glück. Und nun, wo sich der Übeltäter unter der Last seiner Verbrechen selbst gerichtet hat, ist unsere Hoffnung auch berechtigt.«
»Wann werdet Ihr zum Rektor ernannt?«
Königsteiner schmunzelte. »Lieber Bruder Carissimi, Ihr bringt mich in Verlegenheit. Ich warte in Demut die Entscheidung des Ehrwürdigen ab.« Daraufhin blickte er so andächtig auf seinen Teller, dass Forli ihm am liebsten draufgekotzt hätte.
Er zog es vor, nun doch einen fahren zu lassen.
Alle sahen ihn an.
»Entschuldigung«, sagte er. »Der Aal.« Er wusste selbst nicht, was er damit meinte. Schließlich hatte nicht der Aal gefurzt, sondern er, und es gab auch keine Binsenweisheit, die besagte, dass man vom Verzehr eines Aals furzen musste. Deswegen erntete er auch skeptische und missbilligende Blicke, außer von Birnbaum, der herzlich lachte.
Birnbaums Lachen animierte Königsteiner zu einem Kommentar.
»Unser Bruder Birnbaum hier wird übrigens nach Innsbruck zurückkehren, er hat schon gestern beim Ehrwürdigen schriftlich darum gebeten, ich habe die Bitte unterstützt, und der Ehrwürdige hat sie genehmigt.«
»Ihr habt Euch in Rom nicht wohlgefühlt, Bruder Birnbaum?«, fragte Carissimi, doch nicht der Befragte selbst, sondern Königsteiner antwortete für ihn.
»Die neuen Schüler kommen aus Norditalien, Frankreich und Mähren. Der bisherige Vorteil, dass die Schüler in Bruder Birnbaum einen Ansprechpartner aus dem eigenen Land hatten, fällt dadurch weg.«
Birnbaum hatte gerade ein Stück Aal mit großem Appetit in den Mund gestopft, erwiderte aber trotzdem: »Der wahre Grund ist natürlich, dass der verehrte Bruder Königsteiner mich für zu dumm hält, und deswegen meinen Antrag unterstützte. Die neuen Schüler kommen nämlich aus gebildeten Familien, und da mag man sich nicht mit einem wie mir blamieren.«
Königsteiner entgegnete: »Worüber beklagt Ihr Euch? Ihr wolltet ins
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