Der Schwarze Papst
Duré die Gelegenheit, auf ähnlichem Wege wie Sandro in die Wohnung zu gelangen und einen der Briefe zu lesen. Vielleicht hatte er aber auch wie Sandro Pech gehabt und nur halbverkohlte Schnipsel im Kamin gefunden, die jedoch ausreichten, um einen vagen Eindruck von der Dimension der Verschwörung zu bekommen.
»Ihr assoziiert ziemlich frei, geschätzter Bruder Carissimi.«
»Das muss ich leider. Meine Ermittlung in diesem Fall gleicht dem Gang durch ein Labyrinth. Am Ende kommt es jedoch
nicht darauf an, dass man den Aufbau des Labyrinths in seiner Gänze verstanden hat, sondern dass man den Ausgang findet - und dass man den Schlüssel, den man braucht, um ihn zu öffnen, in der Tasche hat.«
»Als Gelehrter, als Mann der Wissenschaft, widerspreche ich Euch entschieden. Und ich gebe zu bedenken, dass auch Richter Gelehrte sind.«
Sandro nickte. »Habt Geduld, Magister, ich bin erst auf halbem Weg zum Ausgang. Dass Luis de Soto sich um Johannes von Donaustauf bemühte, war nicht schwer zu erkennen für jemanden, der von nun an alles, was Luis tat, mit argwöhnischem Blick beobachtete. Allein diese Geschichte mit dem religiösen Erlebnis auf dem Konzil von Trient deutete darauf hin, dass Luis sich bei Johannes beliebt machen wollte. Und dass Johannes ein reicher junger Mann war, war bekannt. Zusammen mit den anderen Anhaltspunkten, die ihr gesammelt hattet, ergab sich für Euch der berechtigte Verdacht, dass Johannes, beziehungsweise sein Geld, Teil der Konspiration wurden. Daher und weil Ihr den Erfolg des Plans unbedingt verhindern wolltet, habt Ihr beschlossen, Johannes zu töten.«
»Lächerlich«, rief Duré. »Absurd. Hätte ich von einer Verschwörung gewusst, wäre ich damit zum Ehrwürdigen gegangen.«
»Das wärt Ihr nicht. Aus zwei Gründen nicht. Erstens: Der Ehrwürdige ist gesundheitlich angeschlagen, und zwar derart stark, dass ihn sogar eine vergleichsweise harmlose Beschwerde von Bruder Königsteiner an den Rand des Todes brachte. Wie Ihr mir selbst sagtet, leidet er unter schmerzhaften Koliken und gefährlichen Herzbeschwerden. Wäre ihm eine Verschwörung gemeldet worden, die zum Ziel hat, sein Lebenswerk zu zerstören oder zumindest schwer zu beschädigen, und hätte er darüber hinaus erfahren, dass sein letzter verbliebener Weggefährte aus alten Tagen einer der führenden Köpfe der Verschwörung
ist, dann wäre die Erschütterung so groß gewesen, dass er …«
Sandro unterbrach sich. Er schluckte und verspürte das Bedürfnis, am Wein zu nippen. Vorsichtig roch er daran. Dann fuhr er fort: »Zweitens hätte der Ehrwürdige nichts ausrichten können. Ob er nun dieser Tage oder erst in einigen Wochen davon erfahren hätte, spielte doch für den Erfolg der Konspiration keine Rolle. Wenn Coimbra sich von ihm losgesagt hätte, und wenn König João und Papst Julius ihre Zustimmung gegeben hätten, was hätte ein Loyola dann tun sollen? Nein, wer ernstlich vorhatte, die Spaltung zu verhindern, musste ihre Protagonisten beseitigen.«
Johannes, führte Sandro weiter aus, war das erste Opfer, weil ihm als Geldgeber eine entscheidende Rolle zukam. Duré besaß umfangreiche medizinische Kenntnisse, die es ihm möglich machten, eine tödliche Pflanze auszusuchen und aufzuspüren, und er wählte die Poleiminze aus. Ihr Gift wirkte in hohen Konzentrationen schon in sehr kurzer Zeit und führte nach einer Atemlähmung zum Herzstillstand.
Duré protestierte: »Ich war zu der Zeit, als Eurer eigenen Aussage zufolge der arme Junge das Gift schluckte, gar nicht im Collegium. Ich saß mit dem Ehrwürdigen im Teatro .«
Der Einwand war berechtigt. Durés Abwesenheit in der Zeit zwischen vier und sechs Uhr hatte ihn lange Zeit unverdächtig gemacht. Aber dann war Sandro, angeregt durch die Entdeckung des Hohlraums in Johannes’ Zimmer, auf die Idee gekommen, dass der Mord sich erst zu dem Zeitpunkt ereignet hatte, als Johannes bereits zusammengebrochen war und keuchend auf dem Bett lag.
Durés perfider Plan basierte auf drei Säulen. Die erste Säule: Johannes’ Zusammenbruch hatte bereits im Speisesaal begonnen, vor aller Augen, womit Durés Behandlung des Kranken legitimiert und sogar notwendig war. Niemand würde auf den
Gedanken kommen, dass das, was Johannes das Leben kosten würde, erst danach geschah.
Die zweite Säule: Durés Kenntnis von Loyolas Gewohnheiten. Als langjähriger Begleiter des Ehrwürdigen konnte er gut einschätzen, wie sich Loyola verhalten würde, wenn ein Schützling schwer
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