Der Schwarze Papst
seines Rufs als tüchtiger Diplomat bekleidete er bis zuletzt kein Amt im Orden. Er war einer von vielen, doch er wollte der Erste werden. Ich weiß nur noch nicht, wie, und auch nicht, was es mit diesen portugiesischen Briefen auf sich hat.«
Sandro erkannte an der Art, wie Julius ihn durch den Dampf hindurch ansah, dass er gleich die Wahrheit erfahren würde. Er traute Julius manches zu, so allerlei graue Händel, die ein Papst kaum vermeiden konnte. Doch Sandro war sich sicher, dass Julius ihm mittlerweile vertraute und ihn nicht anlügen würde.
»Du liegst richtig, Sandro, und doch auch wieder nicht. Hilf mir aus diesem Bottich heraus, sonst schrumple ich noch wie eine Dörrpflaume zusammen.«
Sandro reichte dem Papst die Hand, zog ihn hoch, holte das große Leinentuch und spannte es mit beiden Armen auf.
»De Soto«, sagte Julius, während Sandro ihn abtrocknete, »wusste schon seit längerem, dass Loyola ihn nicht zum Rektor des Germanicums machen würde.«
»Aber der ehrwürdige Pater General hat doch …«
»Lass mich ausreden, Ungestümer! Ich will es ja erklären. De Soto bat mich vor Monaten, bei Loyola ein gutes Wort für ihn einzulegen, damit man ihn zum Rektor des in Planung befindlichen Collegiums ernenne. Daraufhin schrieb Loyola mir zurück, dass er zwar daran gedacht und de Soto in die engere Wahl gezogen habe, jedoch davon abgerückt sei, weil er de Soto für charakterlich ungeeignet halte. Man kann über Loyola sagen, was man will, aber er hat ein gutes Gespür. Er zweifelte an de Sotos Demut, worin du ihm - wie ich deinem heftigen Nicken entnehme - zustimmst.«
»Und hat der Ehrwürdige seine Entscheidung de Soto mitgeteilt?«
»Ja, und da er offene Worte liebt, stelle ich mir vor, dass er de Soto auch die Gründe darlegte. Doch bat er sowohl ihn als auch mich, die Entscheidung einem gewissen Bruder Königsteiner noch nicht bekannt zu machen, da er gerne beobachten wolle, wie sich Königsteiner, der in Unkenntnis gelassen wurde, verhalte, ob es zu Rivalitäten käme und so weiter.«
Der Papst wickelte sich das Leintuch um den Körper und setzte sich auf seinen Schemel - sehr zu Sandros Verdruss, der gehofft hatte, sie würden den feuchtwarmen Waschraum verlassen.
»Ein Rückschlag für Luis«, sagte Sandro. »Aber sein Ziel, General der Jesuiten zu werden, hatte er deswegen bestimmt nicht aufgegeben.«
»Wie wahr!«
»Was hatte er geplant? Werdet Ihr es mir verraten, Eure Heiligkeit?«
»Du hättest es ohnehin bald erfahren. In zwei, drei Wochen, schätze ich.«
» Distribuicao ?«, fragte Sandro.
Julius zog die Augenbrauen hoch. »Ich sehe, du warst schon nahe dran. Ja, Sandro. Distribuicao .«
22
Forli hasste Konversation, vielleicht weil sie eine Erfindung der Reichen war, die sich so sehr langweilten, dass sie sogar bereit waren, sich mit Menschen, die sie absolut nicht leiden konnten, über Themen zu unterhalten, die sie absolut nicht interessierten. Dort, wo er herkam, dienten Gespräche der Mitteilung notwendiger Informationen: hast du dies und jenes erledigt; hilf mit beim Abhängen der Wäsche, denn gleich wird
es regnen; wie bescheißen wir den Steuereintreiber; der alte Ludolfini Antonio ist gestorben; die Pitoletta Maria heiratet den dummen Giuseppe. Manchmal sagte man auch überflüssige Sachen, aber mit Konversation hatte das alles nichts zu tun.
Es konnte einem speiübel werden bei dem Geschwätz an der Tafel des Collegiums. Und das war schade, denn Carissimi war in Begleitung von drei vatikanischen Köchen zurückgekommen, die ein Mittagsmahl zubereitet hatten, bei dem Forli das Wasser im Munde zusammenlief: gekräuterter Aal, Räucherforelle, Flusskrebse, Ölfrüchte, Bratgemüse im Teig, Langusten … So speiste der Papst jeden Freitag im Vatikan, und an diesem Tag hatte er seine Köche nebst Carissimi mit Grü ßen in das Collegium gesandt. Da der jüngste Leichenfund erst wenige Stunden zurücklag und Miguel Rodrigues sein Fieber überwunden hatte und mit am Tisch saß, hatte man es für besser gehalten, schweigend zu essen. Genauso hätte Forli es sich auch weiterhin gefallen lassen - lieber noch hätte er ein paar Zoten gerissen, aber er sah ein, dass das unangemessen gewesen wäre -, aber dann fing Carissimi - wer sonst? - mit seiner unsäglichen Konversation an.
»Wann werdet Ihr heiraten, Signore von Donaustauf?«
»Morgen.«
»Was macht Ihr nach der Hochzeit?«
»Wir suchen uns eine schöne, große Wohnung, bleiben auf Rosinas Wunsch den Winter
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