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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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ihr die beiden Zeichnungen aus der Hand nahm.
    Milo war den Huren gut bekannt. Er war im Teatro geboren worden und aufgewachsen, heutzutage hielt er es instand. Aber auch den Huren anderer Häuser, ja, fast dem ganzen Trastevere war er ein Begriff. Das Viertel war sein Revier, dort hatte er seine Freunde, dort grüßte ihn jeder Dritte, dem er auf der Straße begegnete. Und nicht nur, weil er der künftige Erbe des Teatro sein würde, war er der begehrteste Junggeselle des Trastevere.
    Nackt wie auf der Zeichnung hatte ihn jedoch noch keine der Frauen gesehen, die in diesem Moment sein Porträt eingehend studierten.
    Sie kicherten, sie staunten, sie ließen ein paar freizügige Bemerkungen fallen.
    »Der ist aber auch nicht schlecht«, rief eine der Huren mit Blick auf Sandros Porträt. »Mit dem würde ich umsonst.«

    »Mit beiden würde ich umsonst«, meinte eine andere, die sich jedoch sofort einen bösen Blick der Signora einfing.
    Antonias Gesicht glühte. Sie zeichnete so schnell wie möglich, um das Thema wechseln zu können.
    Endlich war das Porträt des Fremden fertig.
    »Ja, so sah er aus«, sagte eine, und die anderen stimmten zu.
    Antonia betrachtete noch einmal das Gesicht, das sie entworfen hatte, aber dieses Mal nicht wie eine Zeichnerin, sondern wie eine Jägerin.
    Ein hageres Gesicht. Hohe Stirn, schütteres Haar. Tiefliegende, wassergraue Augen. Dünne Augenbrauen. Hakennase. Eingefallene Wangen. Spitzes Kinn. Ein langer Hals.
    Dieser Mann hatte Carlottas Leben ausspioniert und war vielleicht ihr Mörder.
     
    Milo fand, dass Lello das Gesicht eines verdurstenden Mannes hatte. Ihm fehlte jeder Mut. Er war einer dieser armen Kerle, die sich ihr Geld mit allerlei kleinen Schandtaten verdienten, von denen keine gemein genug war, um sich Respekt zu verschaffen. Im Trastevere galt er wenig, weil Diebereien und Spitzeltätigkeit schlecht bezahlt wurden. Lello war der Knecht der Verbrecher.
    Wie ein Knecht sah er aus und wohnte auch wie einer. Die Baracke nahe der halb verfallenen Südmauer stand auf alten Stelzen, die sich in den Schlick einer kleinen Senke bohrten. Am Abend kamen die Ratten hervor, überall war ein Trippeln und Fiepen, überall waren die Geräusche der tierischen Unterwelt der Stadt zu hören.
    Milo beobachtete, wie Lello seine Behausung verließ. Lello bemerkte ihn nicht, obwohl er sich mehrmals umschaute. Milo war viel zu geschickt für ihn. Er wartete, bis Lello die schlickige Senke verlassen hatte, und heftete sich dann an seine Fersen. Dort, wo das Barackengebiet ins Trastevere überging,
machte Milo absichtlich ein paar laute Schritte, die sogar einem minderbemittelten mittelmäßigen Gauner wie Lello auffallen mussten. Milo wusste genau, was Lello als Nächstes tun würde: um die Ecke der Via di Genovesi in die Via San Michele biegen, dort die Beine in die Hand nehmen und in die nächste Seitengasse flüchten, um den Verfolger abzuschütteln. Dies voraussehend, ging Milo in die Seitengasse, wartete ein, zwei, drei Atemzüge lang - und Lello lief ihm geradewegs in die Arme.
    »Milo.« Lello erschrak nur kurz, dann schien er froh, Milo zu sehen. »Milo, du musst mir helfen, ich werde verfolgt.«
    »Das war ich.«
    »Nein, Milo, dich meine ich nicht. Du stehst ja hier.«
    Milo tätschelte Lellos Wange. »Es würde zu lange dauern, dir das zu erklären. Nur so viel: mach dir keine Sorgen. Siehst du, Lello, zu dir wollte ich. Wir haben etwas zu besprechen.«
    Lellos Augen bekamen den Ausdruck aller armseligen Gauner, wenn ihnen etwas nicht geheuer ist. Sie ahnen eine Unbequemlichkeit oder ein Abenteuer, was für solche ängstlichen Seelen dasselbe ist, und sie wünschten, sie könnten sich in Luft auflösen.
    »Wieso - wieso kommst du nicht morgen in mein Haus?«
    »Nein, Lello, das ist nicht gut.«
    »Warum?«
    Milo sprach ein bisschen wie zu einem kleinen Jungen, dem er bedauernd eine Gabe verweigert. »Tja, Lello, in deinem Haus sind wir nicht ungestört. Du hast vier Cousinen dort wohnen.« Fast allen im Viertel war bekannt, dass es sich bei diesen »Cousinen« um Frauen vom Land handelte, die Lello umsorgten, während er ihnen im Gegenzug Dach und Essen bot. »Außerdem«, fügte Milo hinzu, »ist meine Sache dringend. Lello, was ist denn los? Ein Gespräch unter Freunden sollte etwas Erfreuliches sein. Nun komm.«

    Milo legte den Arm um die schmalen Schultern des Mannes, der gut zehn Jahre älter als Milo war, aber den Schwung einer Totenklage hatte. Lello ließ sich

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