Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
dabei halfen, ihren Mörder zu suchen, war eine Geste des Aufbegehrens. Lange Zeit waren diese Frauen die schwächsten Glieder der Gesellschaft gewesen, versteckte und verleugnete Wesen der Nacht, diejenigen, die von Männern missbraucht, von Damen gehasst, vom Klerus offiziell verdammt wurden, rechtlose Geschöpfe, weniger geachtet als Pferde, gleichsam Hunde, die man dressieren, treten und einsperren durfte, die man gegeneinander aufhetzte, wenn es einem gefiel, die man peitschte, wenn sie die gewünschte Leistung nicht erbrachten, und die man verhungern ließ, wenn sie alterten. Fand man ihre Leichen im Tiber, kümmerten sich die Behörden nicht darum. Stieß man sie aus Fenstern, war es so, als sei ein Sack Bohnen aufs Pflaster gestürzt.
    Einmal sich aufbäumen, einmal zeigen, dass es eine Grenze gab - dafür riskierten sie den Unwillen eines Unbekannten. Sie waren schon Opfer und fürchteten daher nicht, zu Opfern zu werden.
    Das Eintreten von Signora A, der geachteten Vorsteherin des Teatro , bewirkte eine Veränderung. Die Signora sprach zunächst kein Wort, allein ihre schlanke Gestalt und das herbe Gesicht genügten, um Disziplin herzustellen, so wie ein Abt unter Mönchen Demut hervorrief. Der Enthusiasmus der Huren bei der Beschreibung des Fremden wurde gezügelt und stattdessen um Konzentration bereichert. Kleine Rivalitäten waren augenblicklich vergessen. Keine wollte sich einen Rüffel einhandeln.
    Antonia warf Milos Mutter einen dankbaren Blick zu, den die Signora - stets kühl und spröde, wenn es um Gefühle ging - geflissentlich übersah.
    Langsam entstand ein Gesicht, ein wirkliches, lebendiges Gesicht, aus Antonias mühsamer Arbeit, so als würde eine wahre Geschichte entstehen. Die Augen des Mannes bekamen Ausdruck,
die Haare eine Form, der Charakter bekam eine Prägung. Detail reihte sich an Detail: eine Narbe am Kinn, ein Muttermal am Hals.
    Als niemandem mehr etwas einfiel, begann Antonia, die durch vielerlei Änderungen unscharfe Zeichnung auf einem neuen Blatt ins Reine zu übertragen. Dabei geschah es, dass zwei von Antonia schon vor Wochen benutzte Blätter zu Boden fielen. Als sie es bemerkte, war es bereits zu spät. Signora A hatte sie aufgehoben und betrachtete die Zeichnungen.
    Die Erste zeigte einen Mann, den die Signora sehr gut kannte: ihren Sohn Milo. Antonia hatte ihn in lässiger Pose dargestellt, als jemanden, der sich seiner selbst sicher ist und mit Leichtigkeit in jeden Kampf geht, auch in der Liebe. Er war nackt und faszinierend, aber nicht nur wegen der Nacktheit. Milo hatte etwas von einem Buschräuber an sich, einem Gesetzlosen, einem Entführer, von dem man sich gern entführen lässt. Er lag seitlich auf einem Laken, ein Bein war angewinkelt, und alles wirkte so, als warte er auf eine Frau, die soeben eingetreten war. Das Spiel seiner Muskeln war nicht übertrieben, es war nur angedeutet, vor allem sichtbar in dem angewinkelten Bein und dem Arm, mit dem er sich aufstützte. Jeder Strich des Porträts schien nur dazu gedacht, die Erotik des Augenblicks zu betonen.
    Es bestand kein Zweifel, dass die Szene so oder so ähnlich stattgefunden hatte und aus der Erinnerung gezeichnet worden war.
    Das zweite Blatt zeigte jemanden, den die Signora nur flüchtig kannte: Sandro Carissimi. Sie war dabei gewesen, als er den Mordfall an der Geliebten des Papstes gelöst hatte, aber sie hatte - sofern Milo es ihr nicht gesagt hatte, was unwahrscheinlich war - nicht gewusst, in welchem Verhältnis Antonia zu ihm stand. Nun wusste sie es.
    Das Porträt zeigte Sandros nackten Oberkörper. Sein sanfter
Blick ging - im Gegensatz zu Milos, der die Beobachterin fixierte - an der Beobachterin vorbei, zu einem Punkt in der Ferne. Dieser Blick gab nichts preis. Ein Windstoß war dem Porträtierten in die Haare gefahren und wirbelte sie durcheinander. In seiner schlanken Unauffälligkeit wirkte der Körper passiv, aber bereit, seine Unschuld zu verlieren. Es war das Porträt eines stillen Menschen.
    Eine solche Szene hatte es nie gegeben. Eine in allen Belangen der Liebe und Erotik erfahrene Frau wie Signora A war sich darüber natürlich im Klaren, und deswegen sagte das Porträt mehr über die Zeichnerin aus als über den Gezeichneten.
    Antonia und die Signora tauschten einen Blick.
    »Sieh mal, das ist ja der nackte Milo«, rief eine der Huren, die gesehen hatte, was die Signora in Händen hielt.
    Auf der Stelle scharten sich die Huren um Signora A herum, und sie ließ es sogar zu, dass man

Weitere Kostenlose Bücher