Der Schwarze Papst
feuchtes Quartier bewohnt hatte, das wenig besser als die Zellen für die Gefangenen gewesen war. Papst Julius hatte dem Hauptmann, auf Sandros Wunsch und in Anerkennung der Verdienste im Fall der ermordeten Geliebten des Papstes, einen der schönsten Bezirke und Kommandanturen von ganz Rom zugewiesen, und Sandro war froh, zu sehen, dass Forli sich offensichtlich wohlfühlte.
Die Beine auf dem Schreibtisch übereinandergeschlagen, sagte Forli: »Mit Eurem protzigen Amtsraum im Vatikan kann es nicht mithalten, aber mal ehrlich, Carissimi, wer mag schon Monumentalgemälde? Außerdem friert in großen Marmorsälen im Winter der Arsch am Stuhl fest, während meiner von einem gemütlichen Ofen gewärmt wird. Übrigens, wollt Ihr kühlen Wein?«
Bevor Sandro ablehnen konnte, brüllte Forli einen Befehl ins Vorzimmer, und kurz darauf brachte ein Wachmann einen Weinschlauch und zwei Becher.
»Die Schläuche liegen in einem Brunnen hinter der Kommandantur. Der Wein ist dünn und sauer, wie richtiger Wein zu sein hat, und nicht wie die göttlichen Rebensäfte in den vatikanischen Kellern. Probiert und weint. Hier.«
Er drückte Sandro einen randvoll gefüllten Becher in die Hand und stieß mit ihm an.
Sandro nahm einen Mundvoll, was er besser nicht getan hätte, denn sofort bekam er Lust auf mehr. Er stellte den Becher so weit wie möglich von sich weg.
»Ich kann nicht lange bleiben, Forli. Ich bin, wie erwartet, vom Papst mit der Lösung des Falls betraut worden.«
»Schön für Euch. Ich wurde ja wieder ausgeladen.«
»Der Ehrwürdige ist leider wenig kooperativ. Aber dadurch, dass Eure Leute das Collegium bewachen, ist mir schon sehr
geholfen.« Sandro machte eine Pause. »Ihr habt mir eine Nachricht in den Vatikan geschickt, dass Ihr mich sprechen wolltet. Nun, ich bin hier.«
»Als Ihr mich gestern Abend weggeschickt habt, ging alles so schnell, dass ich ganz vergessen habe, Euch meinen Bericht zu geben.«
»Falls Ihr die Schlägerei zwischen den Schülern meint, davon hat Angelo mir erzählt, bevor ich das Collegium mitten in der Nacht verließ und zum Papst ging. Angelo ist dann übrigens im Collegium geblieben. Er hat in Johannes’ Zimmer geschlafen, damit niemand sich darin zu schaffen macht.«
»Die Schlägerei habe ich nicht gemeint«, sagte Forli. »Allerdings hat sie mich dazu ermutigt, ein paar Fragen zu stellen. Der Augenblick war günstig, und Ihr wart noch bei Loyola.«
»Ich bat Euch doch …«
»Manche Fragen dulden es nicht, vertagt zu werden, Carissimi. Zum Beispiel jene, wo sich jeder Einzelne in der Stunde vor der Messe befunden hat.«
Sandro musste zugeben, dass Forli gut mitgedacht hatte. Es gab nur zwei Zeitpunkte, an denen Johannes das Gift zu sich genommen haben konnte. Da die Messe und der Weg in den Speisesaal des Collegiums ausschieden, blieben nur die Stunde vor der Messe und die Mahlzeit übrig. Man musste also den Zeitraum und den Kreis der Verdächtigen so weit wie möglich einengen.
Der Hauptmann kramte ein zerknülltes Papier hervor und faltete es auseinander. Zum Vorschein kam - Käse.
»Müsst Ihr ausgerechnet jetzt frühstücken, Forli?«
»Ich will nicht frühstücken. Ich will Euch meinen Bericht geben.« Forli nahm den Käse in die eine Hand und reichte Sandro das Papier, in das der Käse eingewickelt gewesen war, mit der anderen. »Da steht alles drauf.«
» Hier drauf?« Sandro blickte skeptisch und widerstrebend
auf den unförmigen Fetzen. Überall waren Risse, Löcher und Fettflecken, und Forlis Klaue war kaum zu entziffern. »Forli, dieses Papier sieht aus, als hätte es dreitausend Jahre in einem babylonischen Felsengrab gelegen. Ich kann nicht glauben, dass Ihr den Bericht gestern Abend angefertigt habt.«
»Doch, doch«, erwiderte er und schob sich den halben Käse in den Mund.
Sandro reichte ihm die Notiz zurück. »Dann lest mir bitte Euren Bericht vor.«
Forli scheute sich nicht, Sandros Bitte mit vollem Mund nachzukommen, und Sandro fragte sich wieder einmal, wieso er für Forli freundschaftliche Gefühle hegte.
Als Forli fertig war, sagte Sandro: »Ich wiederhole, was ich verstanden habe, und Ihr sagt mir dann, ob ich wenigstens annähernd richtig liege: Königsteiner hat in der besagten Stunde gemeinsam mit Miguel Rodrigues die Messe in der Kapelle vorbereitet, der Schüler Tilman Ried war in Rom unterwegs, Luis de Soto hat in seinem Zimmer gelesen, und Birnbaum hat sich mit Gisbert von Donaustauf in der Küche aufgehalten, wo sie zusammen einen
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