Der Schwarze Papst
er mühsam etwas zurück.
»Wie habt Ihr persönlich auf Johannes von Donaustaufs Vision, chinesische Heiden bekehren zu wollen, reagiert?«
»Ich habe ihm geraten, dies nicht an die große Glocke zu hängen.«
»Hat er den Rat beherzigt?«
»Weiß ich nicht. Mir gegenüber hat er zwei-, dreimal davon gesprochen, und immer so, als habe er ein religiöses Erlebnis
gehabt und ich eben nicht. Ich kann so was nicht leiden.«
Sandro hatte das Gefühl, dass Birnbaum noch nicht alles gesagt hatte, denn sein Mund war noch immer verkniffen, ja, noch verkniffener als zuvor.
Noch während Sandro sich eine provozierende Frage überlegte, mit der er Birnbaum aus der Reserve locken konnte, platzte der von ganz alleine heraus.
»Aber wenigstens«, sagte Birnbaum und rührte heftig im Topf, »habe ich nicht mit ihm gestritten, ihn nicht heruntergeputzt wie einen … Ach, ich weiß auch nicht.«
»Wer hat ihn denn heruntergeputzt?«
Birnbaum tauchte die Kelle erneut in den Topf, kostete und schmeckte, wobei er sich Zeit ließ.
»Königsteiner«, sagte er und korrigierte sich sofort. »Bruder Königsteiner. Ich habe zufällig mit angehört, wie er den Johannes arg in die Mangel genommen hat.«
»Weswegen?«
»Weiß ich nicht. Sie haben auf Lateinisch gestritten, stellt Euch vor. Latein war nie meine Stärke. Fest steht: Bruder Königsteiner war stark erregt. Er hat getobt. Sein Kopf war danach von roten Flecken übersät.«
»Und Johannes? Wie reagierte er?«
»Er war ebenfalls erregt und ließ Königsteiner einfach stehen.«
»Ein ziemlich ungebührliches Verhalten für einen jungen Schüler.«
»Schon. Aber Königsteiner - Bruder Königsteiner - hatte kein Recht, diesen Ton anzuschlagen. Wir sind Jesuiten. Wir erziehen niemanden mit Geschrei. Wenn Johannes sich schlecht betragen haben sollte, muss er darauf hingewiesen werden, aber nicht, indem man brüllt wie ein Bär. Das ist unter unserer Würde.«
Birnbaum tauchte den Zeigefinger in die Soße und leckte ihn ab. Dann tauchte er ihn erneut ein. »Probiert noch mal«, sagte Birnbaum. »Ihr hattet recht, jetzt ist die Soße genau richtig.«
Sandro fürchtete, dass Birnbaum ihm womöglich seinen So ßenfinger zum Kosten anbieten würde. »Gleich. Sagt mir noch: Wann war dieser Streit?«
»Gestern Morgen, irgendwann zwischen der Frühmesse und dem Mittagsmahl.«
»Wie kam Johannes mit den anderen Lehrern zurecht?«
»Der Bruder Rodrigues hat sich ein wenig um ihn gekümmert. Aber am besten ging’s mit dem Bruder de Soto. Mit dem hat er sich prächtig verstanden.«
Das wunderte Sandro. Überhebliche Menschen können einander normalerweise nicht ausstehen, sie sind sich einfach zu ähnlich und scharen Leute um sich, denen sie sich überlegen zeigen können und dafür auch noch bewundert werden.
»Woher wisst Ihr, dass sie sich gut verstanden?«
»Vor ein paar Tagen hatte Johannes das Vorgespräch mit Bruder de Soto. Man redet da über Vorkenntnisse, über die Herkunft und die Erwartungen aneinander. Das dient dem besseren Verständnis zwischen Schüler und Lehrer. Und bei den beiden hat’s anscheinend geklappt. Der Johannes geriet danach regelrecht ins Schwärmen über Bruder de Soto. Er ist ja auch ein feiner Mensch, so höflich …«
Sandro hörte ein paar Sätze lang nicht zu. Er spürte schon wieder diese Wut auf Luis, eine Wut, die sich daraus speiste, dass er offensichtlich der Einzige war, der Luis’ wahres Wesen erkannt hatte. Miguel Rodrigues, Johannes, Birnbaum, Ignatius - jeder hielt große Stücke auf diesen selbstverliebten Blender.
»… und dann hatten die beiden ja auch die religiösen Erlebnisse gemeinsam«, schloss Birnbaum.
»Wie bitte?«
Birnbaum holte die Ochsenbrust, die in der Soße schmorte, mit zwei langstieligen Löffeln aus dem Topf. »Johannes erzählte mir, dass Bruder de Soto ihm sein eigenes religiöses Erlebnis anvertraut hat. Es soll auf dem Konzil von Trient gewesen sein, als die Kirchenväter sich versammelten.«
Das schlug dem Fass den Boden aus. Luis hatte bestimmt kein religiöses Erlebnis gehabt, und schon gar nicht auf dem Konzil von Trient. Da war er mit kirchlichen Intrigen beschäftigt gewesen und damit, Unschuldige eines Verbrechens zu bezichtigen. Er hatte gefoltert … Religiöses Erlebnis beim Anblick der Kirchenväter, von wegen! Doch Luis log niemals nur, um sich wichtig zu machen. Wenn er Johannes von Donaustauf Lügen erzählte, dann deshalb, weil er ihn aus irgendeinem Grund für sich einzunehmen
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