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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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diese Familie! Der geizige Vater, die nörglerische Mutter, die boshafte Großmutter - verrottete Gestalten, die die Gemeinheit in den Herzen trugen. Nicht einmal den eigenen Kindern gönnten sie Gutes. Aber sie waren die einzige Familie, die sie hatte.
    Sie ging zu ihrem Bruder. Um diese Zeit hielt Franco sich fast immer in der Nähe der Porta San Paolo auf, wo die Waren und Menschen, die in Ostia ankamen, nach Rom hineinströmten. Mit ihm standen zahllose andere junge Burschen an die Hauswände gelehnt, wo die Sonne nicht hinkam, und beobachteten den Verkehr. Sie machten das nicht aus Langeweile. Manchmal fiel etwas von einem Wagen, oder es gelang ihnen, mit einer geschickten Handbewegung etwas zu stehlen, wobei sich die Burschen gegenseitig gute Gelegenheiten zuspielten, indem sie die Fuhrwerker ablenkten.
    Franco allerdings hatte sich auf etwas anderes spezialisiert. Er nahm die Reisenden in Augenschein und wählte sich ein Opfer
aus, das zwei Kriterien erfüllen musste. Zum einen musste er - meist handelte es sich um einen Mann - vermögend sein. Nicht allen sah man den Reichtum an, doch ihr Bruder hatte ein gutes Auge dafür entwickelt. Außerdem mussten die Opfer Rom zum ersten Mal betreten. Das war wichtig, weil solche Leute besonders arglos waren. Sie glaubten, in einer Stadt mit hundert Kirchen wehe nichts als Weihrauch und Frömmigkeit durch die Gassen, und es dauerte meist eine Weile, bis sie begriffen, dass der Gestank von Abfall und Fäkalien die Stadt beherrschte - auch im übertragenen Sinn. Diese Zeitspanne nutzte Franco aus, um aus einer reichlichen Palette von Betrügereien die passende Wahl zu treffen. Er beschattete die Leute, schätzte sie ein und schlug im richtigen Moment zu. Reich wurde man dadurch nicht, aber man ersparte sich schwere und schlecht bezahlte Arbeit.
    Heute hatte Franco noch keinen Erfolg gehabt, vielleicht weil er den Erfolg heute nicht wollte. Er beachtete die Fuhrwerke und Kutschen fast gar nicht und brütete vor sich hin. Ab und zu warfen ihm die Burschen links und rechts von ihm ein Wort zu, das er mit einem Nicken oder Kopfschütteln beantwortete.
    »Gib mir Geld«, sagte Rosina.
    »Was ist denn das für eine Begrüßung?«, murrte Franco. Seine Laune war schon besser gewesen, aber wie üblich erspürte Rosina die feinsten Nuancen seiner Stimme und war sich sicher, ihn momentan stören zu dürfen. »Überhaupt, wieso bist du nicht bei Mutter?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Wieso bist du nicht bei Vater? Antwort: Weil es keinen Spaß macht. Gib mir etwas Geld, es gehört mir so gut wie dir.«
    »Hab keins bei mir.«
    »Aber du weißt, wo es ist. Sag’s mir.«
    Er lachte. »So weit kommt es noch.«

    Sie brauste auf. »Ich habe Anspruch auf meinen Anteil.«
    »Nicht so laut, du Kuh.« Er zog sie ein paar Schritte weiter in eine ruhige Ecke unter einem Dachvorsprung. »Das Wort ›Anteil‹ bläst man nicht einfach durch die Gegend, da stellen alle die Ohren auf. Ich gebe dir nachher ein bisschen was.«
    »Ich will genug, um ein Kleid für mich schneidern zu lassen.«
    »Denk dran, dass, wenn du dir jede Woche ein Kleid schneidern lassen wirst, in drei Monaten nichts mehr übrig ist von deinem Anteil. Dieses Geld hat uns nicht wohlhabend gemacht, Rosinchen. Du und ich, wir haben ein gutes Geschäft gemacht, mehr nicht.«
    »Ich will ein Kleid, und zwar ein prächtiges, das mich zur Dame macht.«
    »Um es wann anzuziehen? Wenn du die Böden scheuerst? Wenn du neben Großmutter den Tag vertrödelst? Wenn du mit den Idioten im Hof tanzt?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Gut, es geht mich nichts an. Aber wir müssen vorsichtig sein mit hohen Ausgaben. Das zieht Aufmerksamkeit auf uns.«
    »Wenn schon. Das Geld haben wir ehrlich verdient.«
    »Ehrlich würde ich es zwar nicht nennen, aber es ist auch nicht gegen das Gesetz verdient worden.«
    »Siehst du!«
    »Es gibt einen anderen Grund, vorsichtig zu sein.« Franco vergewisserte sich, dass um die Ecke niemand lauschte. »Der Deutsche ist gestern Abend umgebracht worden.«
    Rosina erschrak.
    »Nein, nicht der«, sagte Franco. »Auch nicht der andere. Es ist der Dritte, der Schlaksige, der uns das Geld gegeben hat.«
    Rosinas Erleichterung dauerte nur einen Atemzug lang. Dann überkam sie neuer Schrecken. »Woher weißt du das?«

    »Woher, woher! Irgendwoher! So was spricht sich herum. Einer meiner Freunde hat’s mir erzählt.«
    »Welcher? Zeig ihn mir. Los, zeig ihn mir, damit ich ihn fragen kann.«
    »Bist du

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