Der Schwarze Papst
gehofft hatte. Offenbar war ihm dies gelungen.
Birnbaum hatte zwischenzeitlich die Ochsenbrust von einigen Fettwülsten befreit, die er nun eine nach der anderen eilig in den Mund schob, während er Sandro ein Handzeichen gab, ihm zu folgen.
Die Küche war groß und auf eine Zukunft angelegt, in der deutlich mehr Schüler und Lehrer versorgt werden mussten. Es gab unzählige Truhen, Schränke und Regale, die derzeit nicht genutzt wurden, und in einem schwer einsehbaren Winkel zwischen all diesen Möbeln führte ein kurzer Gang zu einer morschen Tür. Durch diese hatte Giovanna gestern Nacht das Collegium verlassen.
»Das wollte ich Euch unbedingt zeigen«, sagte Birnbaum, ging vor und öffnete sie. Sandro betrat einen engen Hinterhof, der fast vollständig von der hohen, fensterlosen Fassade umschlossen wurde, die zum Nachbarhaus gehörte. Nur die Stirnseite des Hofes grenzte offensichtlich an eine Gasse, wie man dem Geklapper von Karrenrädern entnehmen konnte, aber eine doppelt mannshohe Mauer bildete ein fast unüberwindliches Hindernis. Eine stabile Pforte war fest verriegelt.
»Wieso zeigt Ihr mir das?«, fragte Sandro. Außer etwas Gerümpel und einem stinkenden Latrinenhäuschen gab es hier nichts zu sehen.
»Johannes starb an Gift.«
»Das stimmt.«
Birnbaums Lippen glänzten vor Fett, und ein winziger Tropfen davon rann langsam wie Honig über sein Kinn. »Die meisten Vergiftungen treten beim Essen und Trinken auf. Und ich habe gekocht. Denkt Ihr, ich weiß nicht, dass ich ganz oben auf Eurer Liste stehe? Königsteiner hat’s gesagt. Er hat Euch bestimmt gesagt, dass Ihr mich als Ersten befragen sollt.«
»Hat er nicht. Außerdem habe ich keine Liste.«
»Und wieso werde ich von Euch als Erster befragt? Ich kann eins und eins zusammenzählen. Aber bitte, seht Euch das an.« Er zeigte auf das marode Schloss der Küchentür. »Es funktioniert nicht, man kann die Tür weder abschließen noch verriegeln. Ich habe Bruder de Soto vor einer Woche darauf hingewiesen.«
»Wieso ihn?«
»Den Ehrwürdigen kann ich mit so etwas doch nicht belästigen, und bevor ich zu Königsteiner gehe …«
»Bruder de Soto ist also in dieser Sache untätig geblieben?«
»Nein, so ist das nicht. Königsteiner hat sich eingemischt. Er hat darauf bestanden, sich darum zu kümmern, und Bruder de Soto hat um des Friedens willen nachgegeben. Das haben wir jetzt davon.«
Sandro war ein bisschen enttäuscht, dass Luis in dieser Sache nichts vorzuwerfen war.
»Ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt, Bruder Birnbaum. Jemand mit einem Schlüssel hätte die Pforte entriegeln und durch die marode Küchentür in die Küche gelangen können. Wer hat einen Schlüssel zu der Pforte?«
»Ich habe einen, und Giovanna hat einen zweiten. Meinen trage ich immer um den Hals.«
»Damit behauptet Ihr, Giovanna hätte auf ihren Schlüssel nicht aufgepasst?«
»Nein, nein, um Gottes willen, ich will der Giovanna nicht zu nahe treten. Sie kocht seltsames Zeug, aber ansonsten ist sie sehr zuverlässig. Seht, ein gelenkiger Kletterer steigt im Nu über diese Mauer«, meinte Birnbaum, der gewiss schon lange keine Mauer mehr überwunden hatte. Aber seine These war es wert, überprüft zu werden. Mit Übung und Geschick war die Mauer nicht unüberwindbar. Ein Dieb beispielsweise hätte wenig Mühe damit.
»Nehmen wir kurz an, Ihr hättet recht, Bruder Birnbaum. Jemand, nennen wir ihn Mysterio, gelangt in die Küche. Was weiter? Dort stehen Töpfe, und in irgendeinen dieser Töpfe schüttet unser Mysterio das Gift. Aber wir leben noch. Nur Johannes starb.«
Birnbaum nickte eifrig, sodass sein Doppelkinn wackelte und der Tropfen Fett seine letzte Reise gen Boden antrat. Da er sich seine These offenbar die halbe Nacht lang überlegt hatte, hatte er sofort eine Antwort parat.
»Dieser Mysterio träufelt das Gift nicht in einen der Töpfe, sondern auf einen der Teller mit den vorgefertigten Portionen. Ihr erinnert Euch doch an das Brot, den Käse, an den leckeren Rettichsalat …«
Besonders an den Rettichsalat, dachte Sandro und nickte.
»Seht Ihr«, sagte Birnbaum. »Es ist möglich. Ich habe zur dritten Nachmittagsstunde angefangen, die warmen Speisen zu kochen. Gisbert hatte Küchendienst und half mir mit kleinen Handlangertätigkeiten. Er ist ungeübt im Kochen. Da er nicht viel kann, noch nicht einmal vernünftig schneiden, habe ich ihn die Teller mit den kalten Speisen portionieren lassen, damit sie, wenn wir von der Messe zurückkommen,
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