Der Schwarze Papst
Beachtung erfahren hatte und wie schwierig es gewesen war, inmitten eines Hurenhauses lebend, zum Mann heranzuwachsen. Er war groß geworden in dem Glauben, dass Liebe etwas sei, das
Männer sich für fünf Denare kauften, das viel Lärm machte und den Frauen nur Krankheit und Unglück bescherte. Allzu lange lag diese Kindheit noch nicht hinter ihm, gerade einmal zehn Jahre. Der Milo von heute wirkte erleichtert, dass wahre Liebe Freude machte und dass sie sich - ähnlich der wundersamen Brotvermehrung in der Bibel - vervielfachte, wenn man sie teilte.
Vor zwei Monaten, als sie sich kennengelernt hatten, hatte es eine Zeit gegeben, in der Antonia sich nicht sicher gewesen war, ob sie Milo nur deshalb zu lieben begann, weil Sandro unerreichbar war. Milo scherte sich nicht um Konventionen, ließ sich keine Vorschriften machen, wie er zu leben und was er zu glauben hatte … Sie und er waren sich in vielen Dingen ähnlich.
Sogar das Dunkle in ihm zog sie an. Oh, nicht dass es viel Dunkles gegeben hätte. Es waren Momente, die so schnell vorüberzogen wie Wolkenschatten, Momente ohne Grund und Anlass, ohne dass er irgendetwas Spezielles tat oder sagte, in denen sie spürte, dass es etwas gab, das er nicht mit ihr teilte, irgendetwas Bedeutendes. Er verbarg es, vielleicht um sie nicht zu belasten, um sie zu schützen, vielleicht auch nur, weil er sie noch nicht lange genug kannte, um ihr alles anzuvertrauen. Eines Tages würde er es mit ihr teilen.
»Das Techtelmechtel von Hure und Steinmetz hat dich wohl angeregt«, sagte sie zwischen zweien seiner Küsse.
»Die haben nichts damit zu tun.« Sein Atem ging stoßweise. »Dafür bist allein du verantwortlich.«
»Ich habe nichts gemacht.«
»Doch, diese Fenster.« Er lächelte. »Wir haben es noch nicht im Licht deiner Fenster getrieben.«
Sie amüsierte sich. »Du bist ja völlig von deiner Lust besessen.«
»Na und? Du doch auch.«
Sie lachten, wobei sie leise sein mussten, was gar nicht so einfach war. Ein paar Meter über ihnen erledigten Steinmetze, Maler und Bildhauer ihre Arbeiten.
»Wir müssen über Lello Volone sprechen«, mahnte sie.
»Ehrlich, Antonia, mir fällt nichts ein, was ich jetzt lieber täte, als über einen hakennasigen Römer mit vier Cousinen zu sprechen«, erwiderte er und bedeckte sie weiterhin mit Küssen. Schließlich jedoch schob sie Milo ein Stück von sich fort.
»Ganz im Ernst. Wir müssen uns zusammennehmen. Die Sache mit Volone duldet keinen Aufschub.«
Wie üblich, wenn sie in festem Tonfall sprach, passte er seine Stimmung der ihren an und hörte aufmerksam zu, als sie ihm erklärte, was sie vorhatte.
»Wir gehen zusammen zu seinem Haus und stellen ihn dort. Falls er nicht da sein sollte, halten wir uns verborgen, bis er zurückkommt. Wir konfrontieren ihn sofort mit allem, was wir wissen, wodurch wir die Überraschung auf unserer Seite haben. Dann sagen wir ihm, dass es eine Zeugin gibt, die ihn gesehen hat, als er Carlotta umbrachte.«
»Das wissen wir nicht.«
»Richtig. Aber da er nicht weiß, was wir nicht wissen, spielt das keine Rolle. Je nachdem, wie er reagiert …«
»Er wird in jedem Fall leugnen, auch wenn er ihr Mörder ist.«
»Wenn er es nicht ist, gibt er, um seine Haut zu retten, einen Namen preis, der uns zum wahren Mörder führt. Jeder Handlanger würde das tun, wenn man ihm verspricht, ihn aus dem Spiel zu lassen, ihn nicht anzuzeigen. Und wenn er es ist, werden die Wachen schon mit ihm fertig werden. Wir müssen selbstverständlich die Polizeibehörde informieren.«
»Ich dachte mir schon, dass du so etwas vorschlägst. Aber ich bezweifle, dass Carissimi diese Vorgehensweise recht ist.«
»Seit wann interessiert dich, was Sandro möchte?«
»Seit wir in einem Mordfall ermitteln. Falls Volone Hintermänner hat, haben die womöglich Beziehungen bis in die Stadtkommandantur hinein. Was, wenn der Auftraggeber zu einer der großen römischen Familien gehört? Dann wird daraus schnell eine politische Krise. Bevor wir keine stichhaltigen Beweise haben, sollten wir die Behörden aus dem Spiel lassen. Carissimi wird das genauso sehen. Schließlich steht er mit seinem Namen und Amt für eine diskrete Aufklärung ein.«
Was Milo sagte, ergab Sinn. Das Letzte, was sie wollte, war, dass Sandro Schwierigkeiten bekäme.
»Was schlägst du vor?«
»Ich berichte ihm, was wir herausgefunden haben, und dann suche ich mit ihm diesen Volone auf.«
»Und was mache ich ?«
»Kirchenfenster, was sonst?«
Sie
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