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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Rom, so sagte ich mir, würde es mir wesentlich besser ergehen. Das war es, was ich vorhin meinte, als ich sagte, ich müsse Johannes dankbar für seine Vision sein. Denn ich fühle mich tatsächlich ausgesprochen wohl hier.«
    Sandro hatte Gisbert von Donaustauf mit voller Absicht provoziert, weil wütende Menschen mehr preisgeben als gefasste. Und seine Hoffnung hatte sich erfüllt. Vor allem Gisberts letzter Satz gefiel Sandro.
    »Schön«, sagte er. »Sprechen wir über gestern. Wie habt Ihr und Euer Bruder den Tag verbracht?«

    »Jedenfalls nicht gemeinsam. Ich habe ihn gestern kaum gesehen, eigentlich habe ich ihn überhaupt selten gesehen, auch bei uns in Donaustauf. Er blieb immerzu in seinem Zimmer und las Bücher, mittags, abends, bei Sonnenschein, zur Erntezeit … Keine Ausritte, kein Bad im Fluss, kein Interesse an Festmahlen, zu denen wir eingeladen wurden. Ich habe ihm mehrmals gesagt, er würde eines Tages sterben, ohne was vom Leben gehabt zu haben …« Gisbert stutzte. »Seltsam, erst gestern habe ich ihm das noch einmal gesagt.«
    »Also habt Ihr ihn doch gesehen.«
    »Ich sagte, dass ich ihn selten gesehen habe, nicht dass ich ihn nicht gesehen habe«, erwiderte Gisbert gereizt. Es war aufschlussreich, zu beobachten, wie er mehr und mehr seine Fassung verlor. »Nach der Frühmesse hatten wir zusammen Latrinendienst. Er hat sich völlig hineingesteigert in die Putzerei, hat jede Stelle zehnmal gebürstet, als würde eine saubere Latrine ihn direkt ins Himmelreich befördern. Ich habe mich zurückgelehnt und ihn die Arbeit machen lassen, und nur, wenn Birnbaum kurz vorbeikam, der uns beaufsichtigen sollte, aber die meiste Zeit in der Küche zugange war, habe ich so getan, als würde ich arbeiten. Johannes hat mich nicht verraten, der Dummkopf. Er musste immer den Heiligen spielen. So war Johannes.«
    So ist Gisbert, dachte Sandro.
    »Was war nach dem Latrinendienst?«
    »Er ist wieder in sein Zimmer gegangen, und ich bin ein bisschen durch Rom geschlendert. Ich war auf dem Markt, die römischen Märkte sind viel größer als die in meiner Heimat, ich kann mich gar nicht sattsehen an so viel Trubel. Zum Mittagsmahl kehrte ich wieder ins Collegium zurück. Ich saß neben Johannes, habe aber kein Wort mit ihm gesprochen. Den Nachmittag habe ich auf meinem Bett gelegen und gedöst, die Hitze war unerträglich.«

    »War Johannes in seinem Zimmer?«
    »Weiß nicht. Im ganzen Haus war es ruhig. Wartet, da fällt mir ein, dass ich einmal ein Geräusch von nebenan gehört habe, so als - als bürste er den Boden. Ich dachte noch, jetzt ist er völlig närrisch geworden. Später hatte ich Küchendienst. War nicht schlimm. Birnbaum ist von allen hier der Beste, eine Stunde mit ihm vergeht wie nichts. Er spricht die ganze Zeit von Innsbruck und dem Armenhaus, in dem er gedient hat, er schwärmt vom Inn, vom Essen, vom Heimatlichen. Hat immer ein tröstliches Wort zur Hand - und in der anderen Hand ein Schweinswürstel.« Gisbert lachte. »Man kann es schlecht übersetzen, aber in meiner Heimat nennt man einen Menschen wie Birnbaum einen Pfundskerl.«
    »Ihr wart also die ganze Zeit über bis zur Messe mit dem Pfundskerl zusammen? Unentwegt? Weder Bruder Birnbaum noch Ihr habt kurz die Küche verlassen?«
    »Sagte ich doch.«
    »Sagtet Ihr nicht.«
    »Dann sage ich es jetzt. Birnbaum ist nur einmal rausgegangen, und zwar in den Saal, ganz kurz. Er hat das Lesepult abgewischt, denn da sollte er später während des Essens etwas vorlesen. Er war mächtig nervös deswegen - vorlesen vor so vielen Gästen. Also hat er ganz plötzlich Halsschmerzen bekommen. Ich hab mich darüber amüsiert.«
    »Wie lange war er weg?«
    »Ihr hört nicht zu. Ganz kurz, habe ich gesagt.«
    »Könnt Ihr das verdeutlichen?«
    »Etwa so lange, wie ich brauche, um meine Blase leer zu kriegen. Deutlich genug?«
    »War sonst noch jemand in der Küche?«
    »Nein. Bis Giovanna kam.«
    »Sonst niemand? Vielleicht nur ganz kurz - so kurz, wie es dauert, die Blase leer zu kriegen?«

    »Herrgott noch mal! Soll ich es erst in Lettern gießen, damit Ihr es versteht? Ich sage: Nein. Eure Fragen sind penetrant und voller Unterstellungen.«
    »Und es wird noch schlimmer. Nachdem Euer Bruder zusammengebrochen und von mir und Magister Duré in sein Zimmer gebracht worden war, kam ich noch einmal heraus, und da fiel mir auf, dass nur noch ein roter Talar sich im Speiseraum befand. Tilman Ried sagte …«
    Gisbert sprang auf. »Dafür hat er eine aufs

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