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Der Schwarze Papst

Titel: Der Schwarze Papst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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ein wenig mitgedacht und am Vormittag Wasser aufgesetzt, denn sie hatte ihm schon gestern gesagt, dass sie heute eine Suppe zubereiten wollte.
    Aber natürlich - kein Wasser! Irgendeine mehlige Soße, die überdies roch, dass es einem die Nasenhaare kräuselte, blubberte wie ein heißes Schlammloch vor sich hin.
    »Madonna mia.« War sie denn die Einzige mit Verstand in diesem Haus? Jetzt würde sie mit zwei leeren Eimern zum Brunnen in der Via Sabini laufen müssen und mit zwei vollen Eimern zurück. Sie war über fünfzig, eine alte Frau, kein Maulesel.
    »Birnbaum, du Faulpelz«, murmelte sie. »Möge dein Wanst dir des Nachts zur Seite rutschen.«
    Auf der Suche nach Eimern ging sie auf die Knie, was in ihrem Alter und mit diesen zahlreichen Röcken und Unterröcken gar nicht so leicht war. Plötzlich hörte sie ein Geräusch hinter sich. Sie drehte langsam den Kopf und sah den Saum eines Gewands. Ihr Blick glitt an der Gestalt empor.

    »Dio mio.«
    Sie schluckte, und im nächsten Moment spürte sie … Nein!
    Sie spürte, hörte und roch es gleichzeitig. Feuer.
    Sie stand auf und schrie.
    Ihre Kleider brannten. Die Flamme züngelte ihren Rücken empor, ergriff ihre Haare, bohrte sich wie tausend Lanzen in die Hüften, die Schultern …
    Giovanna lief, wankte.
    Sie war nicht allein in der Küche, doch das spielte jetzt keine Rolle.
    Wasser. Wasser.
    Ihre Ärmel fingen Feuer.
    Die Glut fraß sich in sie hinein. Fraß Giovanna auf. Sie sah nichts mehr, und ihr Körper verwandelte sich in einen Klumpen aus Schmerz, den man hasste und loswerden wollte.
    Sie wankte. Eine wankende Fackel. Sie taumelte irgendwohin. Sie schrie nicht mehr.

9
    Sandro und der Ehrwürdige saßen sich gegenüber in Loyolas Zimmer. Auf dem Tisch neben dem Bett glitzerte das Wasser einer Karaffe im Tageslicht, das durch das kleine Fenster drang, und warf zitternde Lichtreflexe an die Wand.
    Draußen war es ruhig, die Straßen waren leer, die Fensterläden geschlossen: Es war die Zeit der schweren Stille zwischen Mittag und der sechsten Stunde, in der alles Leben ermattete. In den Gassen waberte die Hitze des Julis, die Hitze eines jeden Sommers, seit es diese unbarmherzige Stadt gab. Den Alten brachte sie oft sogar den Tod. Auch heute Abend würde wieder ein Karren, beladen mit gefüllten Leinensäcken, das Stadttor
passieren und vor einer Grube haltmachen. Sandro konnte sie nicht zählen, die Alten von Rom und Neapel, denen er in den letzten Jahren die Hand gehalten, deren letztes Wort er empfangen, deren Augen er geschlossen hatte. Er hatte sie gewaschen, in Leinen gehüllt und auf dem Karren zur Mulde begleitet. Dann war er zurückgekehrt, hatte eine Andacht gehalten, manchmal nicht länger als drei Atemzüge lang, und hatte die nächste Hand ergriffen, die nach ihm verlangte und bald darauf ihre Kraft verlor.
    In jenen Wochen und Monaten nach dem nicht ganz freiwilligen Eintritt in den Orden und der Arbeit im Hospital war er demütig geworden. Seine anerzogene Geringschätzung für niedere Stände, seine Ignoranz gegenüber dem Elend verschwanden. Es waren gerade die Schwächsten der Schwachen, die wehrlos Leidenden, die seine Großtuerei zerschmetterten, und es traten Charakterzüge bei ihm hervor, die immer schon vorhanden gewesen waren: das Mitleid und der Wunsch, zu helfen; die Freude an der einfachen Dankbarkeit anderer Menschen; der Genuss der Stille in einer Kapelle. Das alles war nicht anzuerziehen, es war ein Teil seines Wesens, der ans Licht geholt wurde.
    Allerdings hatte der Einsturz seines früheren Lebens auch einen unerwünschten Teil von ihm freigelegt: seine Unsicherheit und sein fehlendes Selbstvertrauen. Das Geld des Vaters, die übermäßige Liebe der Mutter, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe Standesgleicher hatten verhindert, dass er Herausforderungen annahm, und dafür gesorgt, dass ihn das nicht zu kümmern brauchte. Münzen, zärtliche Worte und die Freundschaft derjenigen, die genauso verwöhnt waren wie er, wirkten wie Ambrosia, machten unverletzlich. Der plötzliche Entzug dieser Sicherheiten ließ ihn erkennen, dass er nichts konnte, dass er nichts geleistet und niemanden um seiner selbst willen geliebt hatte. Idee, Wille, Mut, Beharrlichkeit, Kraft - das waren
Worte wie aus einer fremden Sprache, die man nicht schon deswegen beherrscht, weil man anfängt, ein paar Buchstaben aneinanderzureihen.
    Sandro fütterte die Kranken und las den Blinden vor, er reinigte Bettpfannen und flüsterte den Sterbenden an der

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