Der Schwarze Papst
»Wir beide kennen ihn und wissen, dass er das niemals zugeben würde, aber er ist einer der fähigsten Geistlichen in dieser Stadt, und sein Einfluss ist schon jetzt enorm. Dass er dabei nur denen hilft, die es verdienen, ist eine ebenso bemerkenswerte wie bewundernswerte Eigenschaft von ihm. Diese Kirche hier ist das beste Beispiel. Wäre er nicht restlos überzeugt gewesen von deinen Fähigkeiten, meine Tochter, hätte er sich nie derart für dich eingesetzt. Denn weißt du, ich lehnte sein Ersuchen zunächst ab, weil die Gilde mir Ärger macht, wenn ich künstlerische und handwerkliche Aufträge an Frauen vergebe. Sandro war beharrlich geblieben - und wie recht er hatte. Deine Arbeit ist mehr als zufriedenstellend. Dieser schöpferische Reichtum, diese Fantasie …«
Das musste nun aber genügen, um ihr sein Wohlwollen begreiflich zu machen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so gelobt zu haben, und er stellte fest, dass Freundlichkeit eine mühselige Angelegenheit war.
»Du beflügelst Herzen«, fuhr er fort. »Dir, Antonia Bender, ist es gelungen, Sandros Herz zu öffnen.« Dabei sah er ihr unverblümt in die Augen, in der Hoffnung, dass sie verstand, dass seine Worte sich nun nicht mehr auf die Glasmalerei bezogen. »Wie«, fragte er, »steht es mit deinem Herzen?«
Erstmals hatte er ihr eine Frage gestellt, und Fragen der Päpste mussten beantwortet werden.
Sie blickte ein wenig ratlos. »Nun ja, Eure Heiligkeit. Es - es tut das, was es tut, voller Hingabe.«
Ach herrje, dachte er. Wie sollte man sich bei diesem umständlichen Geschwätz jemals so ausdrücken, dass am Ende ein stillschweigendes Einverständnis herrschen würde? Das könnte Jahre dauern. Die Diplomatensprache hatte ihm noch nie gelegen, und er war überzeugt, dass die Hälfte aller Kriege nur deshalb ausbrach, weil jemand etwas gesagt hatte, über dessen
Wirkung er sich nicht im Klaren war, oder sich zur falschen Zeit geräuspert hatte.
Trotzdem weiterlächeln.
»Wie schön«, sagte er. »Hingabe ist gut. Auch Sandro ist voller Hingabe. Diese Stadt braucht Menschen, die sich hingeben.« Setzte man das Wörtchen »einander« dazwischen, wäre die Botschaft noch eindeutiger geworden, aber das ginge wohl etwas zu weit. Die nächste Steigerung wäre dann, Sandro und Antonia nackt in einem Zimmer einzusperren, in dem nur ein Bett stand.
Weiterlächeln. »Sandro liegt mir sehr am Herzen«, sagte er. »Und du ebenso, meine Tochter.«
In diesem Moment war ein Geräusch irgendwo in dem Gewirr des Gerüsts zu hören, zu ebener Erde, so als sei jemand auf etwas Zerbrechliches getreten.
»Wer ist da?«, rief Julius. »Komm hervor. Wieso versteckst du dich? Ich werde die Wache rufen.«
»Keine Sorge, Eure Heiligkeit«, beruhigte Antonia ihn. »Es ist ein Freund von mir.«
»Wieso versteckt er sich?«
Sie senkte den Kopf. »Als die Garde kam, um die Kirche zu räumen, waren wir gerade dabei … haben wir … Es wäre peinlich gewesen, wenn … Darum hat er sich verborgen.«
»Ich verstehe.« Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, die beiden einem Gericht zu übergeben. Beischlaf in der Kirche, das war ungeheuerlich. Diese Antonia war ja wirklich mit allen Wassern gewaschen, und langsam begriff er, was Sandro an ihr fand. Aber er war gekommen, um Antonia in Sandros Arme zu führen, nicht um eine unsittliche Handlung in der Kirche des Heiligen Geistes zu rächen. Dass die Glasmalerin sich einem anderen zugeneigt fühlte, war nur ein Rückschlag, nicht das Ende.
»Tritt vor, mein Sohn«, rief er mild und bemühte sich neuerlich
um einen freundlichen Gesichtsausdruck. Als er jedoch sah, wer aus dem Gerüst hervorkam, war es mit seinem Lächeln ein für alle Mal vorbei. Er hatte diesen Mann schon einmal gesehen, auch wenn sie sich nie begegnet waren. Milo, der Mörder. Massa hatte ihn ausgesucht, aber Julius hatte ihn unauffällig in Augenschein genommen. Sie hatten nie auch nur ein Wort miteinander gewechselt, hatten sich nie in die Augen gesehen. Und jetzt …
Nimm dich zusammen, dachte er.
»Das ist Milo, Eure Heiligkeit«, sagte Antonia. »Er ist - Zimmermann.«
Zimmermann, ha! Milo zimmerte, so weit Julius informiert war, die beanspruchten Betten im Hurenhaus seiner Mutter zusammen. Aber es war verständlich, dass Antonia ihn nicht wahrheitsgetreu vorstellte, vor allem nicht ihm, dem Papst.
»Ein ehrbarer Beruf«, sagte Julius. »Der Beruf, den Jesus in seiner Jugend erlernte.«
»Zu Diensten, Eure Heiligkeit«, sagte Milo und kniete sich
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