Der Schwarze Papst
Geräusch von sich. »Pah! Ihr schüchtert mich nicht länger ein. Was wollt Ihr tun? Mich mal wieder am Kragen packen? Oh, da kriege ich aber Angst. Seht Ihr, wie ich zittere? Ihr mit Eurer lächerlichen Buchseite. Die kann jeder herausgerissen haben. Wo ist sie denn, die Seite, hm? Haben Eure Leute sie in meinem Zimmer gefunden? Oder irgendwo sonst? Nein? Wie erstaunlich, der Mörder hat seine Spur verwischt! Frechheit so etwas! Diese Buchseite, Hauptmann, ist längst zerknüllt und aus dem Fenster geworfen worden. Oder in der Latrine in Scheiße versunken. Oder - noch besser - man hat sie als Feueranzünder für die Köchin benutzt.«
Das war ein Satz zu viel. Forlis Schlag traf Königsteiner genau dort, wo er treffen sollte - auf der Nase. Der Jesuit taumelte durch den Raum und fiel zu Boden.
Vom ersten Tag ihres Kennenlernens an, damals im Dom von Trient, war Sandro jede Geste Antonias, jeder ihrer Blicke, jedes Lächeln vorgekommen wie die Masche eines Netzes, in das er sich zunehmend verfangen hatte. Er war Jesuit, Priester, er wollte nicht wie all die anderen Geistlichen werden, die sich Konkubinen nahmen und nach und nach alles aufgaben, woran sie einmal geglaubt hatten, und hatte Antonia deswegen
widerstanden. Sein Verstand war noch immer dieser Meinung. Sein Herz dagegen sagte ihm, dass er ein großer Dummkopf gewesen war und außerdem viel zu anständig. Was er im Hof des Teatro unter dem Lindenbaum getan hatte, das hätte er schon längst tun sollen.
»Gut gemacht.«
»Ich habe doch noch gar nicht angefangen«, sagte Antonia.
Er sah sie verdutzt an. »Womit?«
»Deine Wunde zu versorgen. Na, du scheinst ja einiges abbekommen zu haben, als du die Aurelianische Mauer mit deinem Kopf zum Einsturz bringen wolltest.«
Er lächelte in sich hinein, während er zusah, wie sie Wasser und Tücher herbeiholte. Das Waschzeug stand auf einer Anrichte neben dem Bett, wo Angelo es hingestellt haben musste, als er vom Collegium zurückgekommen war. Gleich daneben waren Käse, Brot und ein Becher Wein angerichtet, für den Fall, dass Sandro Hunger hatte, aber zu essen war das Letzte, woran er im Moment dachte. Glücklicherweise war Angelo nach Hause gegangen oder schlief in seiner Kammer, die weit genug weg war.
Bevor Antonia ihm befehlen konnte, sich irgendwohin zu setzen, ließ er sich auf dem Bett nieder. Sie stellte sich neben ihn, tauchte ein Tuch ins Wasser und begann, die blutverschmierte linke Wange zu säubern.
»Du siehst aus, als hättest du mit einem Jahrmarktringer gekämpft«, sagte sie.
»Habe ich gewonnen?« Im nächsten Augenblick durchfuhr ihn ein Schmerz. »Autsch. Das tut weh.«
»Ich bitte um Verzeihung, Herkules. Die Wange ist aufgeschürft. Aber auf dem Kopf sieht’s wirklich übel aus. Das einzig Gute daran ist, dass der Riss dort verläuft, wo die Tonsur ist. Da komme ich gut ran.«
Er zuckte mit den Schultern. »Dann ist die Tonsur wenigstens mal für etwas gut. Au.« Es brannte wie Feuer.
»Autsch, Au … Das kann ja eine interessante Konversation werden. Sag mir mal was anderes.«
»Was glaubst du, habe ich die Verletzung Lello Volone zu verdanken?«
»Schon möglich, ich meine, einen Schatten auf der Mauer gesehen zu haben, aber ich bin nicht sicher, und Milo hat niemanden gefunden.«
»Wenn es Volone war, muss er gewarnt worden sein - es sei denn, er lebt auf dieser Mauer. Wir wissen, dass er ein Spitzel ist. Er hat Carlotta ausspioniert. Es kann also sein, dass er Zuträger im Milieu hat, die ihn warnten.« Sandro seufzte, weil er merkte, dass weitere Spekulationen müßig waren. »Danke, dass du mich gerettet hast. Ohne dich wäre ich jetzt ein Carissimi-Mus.«
»Gern geschehen. Aber dass du dir nicht zu viel darauf einbildest. Ich hätte dasselbe für ein Huhn getan.«
Er lächelte. »So sieht wahre Liebe aus.« Er hatte das leicht dahingesagt, ohne sich etwas dabei zu denken. Aber als Antonia das Säubern der Wunde kurz unterbrach, begriff er natürlich, dass er ein Thema angeschnitten hatte, das er nun nicht einfach wieder fallenlassen wollte, wie es noch vor einigen Monaten seine Art gewesen war.
»Warst du jemals glücklich?«, fragte er.
Antonia tauchte ein frisches Tuch ins Wasser und setzte langsam, sehr langsam ihre Arbeit fort. Sie stand hinter Sandro, sodass sie sich nicht in die Augen sehen konnten.
»So ganz und gar?«, fragte sie.
»Ja. Und sei es nur für einen kurzen Moment.«
»Ich verstehe. Wenn ich einmal restlos glücklich gewesen sein
Weitere Kostenlose Bücher