Der Schwarze Papst
Zweck in der Kapelle auf, wo er sich häufig aufhielt, wenn er keine anderen Verpflichtungen hatte. Tatsächlich traf ich ihn dort an und stellte ihn zur Rede. Es ging um das, was er überall herumerzählte, dass er nämlich nach China gehen und Heiden bekehren würde.«
» Darum drehte sich der Streit?«, fragte Forli erstaunt. »Um Chinesen?«
»Aber ja. Ihr müsst verstehen, Hauptmann, wieso ich …« Königsteiner bot ihm mit einer Geste Platz auf dem Stuhl auf der anderen Seite des kleinen Tisches an, und Forli nahm das Angebot an. Jetzt, wo Königsteiner plötzlich artig geworden und sein Kopf kein riesiges Glühwürmchen mehr war, konnte Forli seine Strenge abmildern.
»Ihr müsst verstehen, Hauptmann«, begann Königsteiner neuerlich, »wieso ich so empfindlich auf Johannes’ Gerede reagierte. Dieses Collegium ist gegründet worden, um dem Voranschreiten der lutherischen Irrlehre auf deutschem Boden Einhalt zu gebieten, und das ist eine wahrlich gewaltige Aufgabe. Ich selbst habe erlebt, wie ohnmächtig man als einzelner Prediger
dieser sogenannten Reformation gegenübersteht. Meine geliebte Heimat Hessen habe ich fluchtartig verlassen müssen, man hat mich regelrecht vertrieben, weil ich mich weigerte, meinen Glauben zu verraten. Und etlichen anderen in Hessen, Württemberg und andernorts erging es wie mir. Eine Schande ist das! Die Irrlehre muss bekämpft werden, sonst verleibt sie sich am Ende die ganze Welt ein. Es gibt welche, die glauben, man bekämpft sie am besten auf Schlachtfeldern, doch da bin ich anderer Meinung. Als Jesuit glaube ich fest an die Kraft der Überzeugung, oder besser gesagt, der Beseelung. Der von der Irrlehre verwirrte Geist der einfachen Menschen muss neu beseelt und gewonnen werden, und das gelingt nur, wenn gebildete und dem wahren Glauben verpflichtete Männer von allen denkbaren Positionen aus sich dieser Aufgabe stellen: Advokaten, Ärzte, Schultheißen, Beamte … Ein Heer, bestehend nicht aus Soldaten, nein, ein Heer, bestehend aus Tausenden von Klugen und Wichtigen. Wie kein anderer trete ich seit vielen Jahren für diese Idee ein, und nun ist sie Wirklichkeit geworden. Gewiss, ein kleiner Anfang nur, drei Schüler, aber schon bald ein Vielfaches von ihnen.«
Vor Königsteiners Augen schien sich ein Szenario zu bieten, wie es sich Moses beim Aufbruch ins Heilige Land geboten hatte, nur dass er nicht auf das Volk Israel blickte, sondern auf eine unüberschaubare Schar von Gelehrten mit Schreibgriffeln und Büchern unter dem Arm, die über die Alpen ins Reich zogen.
Forli ließ ihn einen Atemzug lang träumen, dann sagte er: »Wir sprachen über Johannes von Donaustauf.«
Königsteiner räusperte sich. »Das habe ich nicht vergessen, Hauptmann.«
»Ich dachte.«
»Nein, nein.«
»Dann versucht doch bitte, die Überleitung zu den Chinesen hinzukriegen.«
Königsteiner räusperte sich erneut. »Wie Ihr wünscht. Johannes von Donaustauf hatte sich offenbar der Illusion hingegeben, man würde ihn irgendwann nach China schicken. Ich klärte ihn darüber auf, dass das Collegium Germanicum nicht die Bestimmung hat, Jesuiten für Übersee zu rekrutieren und auszubilden, und dass die Aufgabe, für die er vorgesehen ist, eine ebenso bedeutende, wenn nicht eine bedeutendere ist.«
»Und das habt Ihr ihm schreiend verdeutlicht?«
»Zu diesem Zeitpunkt stritten wir noch nicht. Das fing erst an, als er erklärte, er werde, wenn es sein müsse, das Collegium verlassen und als Novize in den Orden eintreten, woraufhin ich ihm klarmachte, dass das nichts ändern würde, da Jesuiten nicht dort eingesetzt werden, wo sie glauben, dass sie hingehören, sondern dort, wo die Ordensoberen glauben, dass sie am nützlichsten sind. Außerdem sagte ich ihm, dass ich meinen ganzen Einfluss geltend machen würde, damit er niemals einen Fuß nach China setzt.«
»Wieso habt Ihr das getan?«
»Habt Ihr schon vergessen, worüber ich eben sprach? Johannes ist für eine andere Aufgabe vorgesehen gewesen. Er sollte einer der Ersten sein, die den wahren Glauben im Reich verteidigen. Wo kommen wir hin, wenn die ersten Schüler des Germanicums tun, was ihnen gefällt? Erschwerend kommt hinzu, dass Johannes’ Bruder Gisbert augenfällig wenig interessiert und begabt ist und vermutlich nie ein Glaubenskämpfer wird, wie wir ihn uns erhoffen. Bleiben Tilman Ried und Johannes, ein wahrlich magerer Anfang einer großen Sache. Und da kommt Johannes daher und plappert was von Chinesen. Wo sollte das noch
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