Der schwarze Prinz
seiner Schwerter nach ihr schleuderte und sofort darauf auch das zweite. Noch während sie den Klingen durch Drehungen ihres Körpers und ihres Kopfes auswich, merkte Svenya, dass das ein Fehler war - und fühlte im nächsten Moment, wie großkalibrige Geschosse so hart gegen ihren Panzer krachten, dass sie das Gefühl hatte, sie brächen ihr sämtliche Rippen, und sie mit ihrer Wucht aus der Luft holten.
Sie stürzte dem Boden entgegen und fluchte. Laurin hatte ihren eigenen Trick gegen sie verwendet und sie genau so übertölpelt wie sie ihn zuvor bei dem Kampf an Bord des goldenen Schiffes - und sie, sie hatte es zugelassen, statt die Schwerter und die Kugeln aus seiner unglaublich schnell gezogenen Pistole mit Skalliklyfja abzuwehren. Sie versuchte, sich abzurollen, um den Aufprall zu mildern, doch sie war zu benommen und knallte ungebremst auf den harten Steinboden. Der Panzer fing das meiste ab, aber weh tat es trotzdem, und sie brauchte einen Moment, das Schwindelgefühl abzuschütteln und wieder auf die Füße zu kommen.
Laurin befand sich schon wieder im Anflug. Er hielt plötzlich seinen Steinbockhornbogen in der linken Faust und einen langen, mit Eisenspitze versehenen Pfeil auf der stramm gespannten Sehne. Svenya brachte sich in Position - sie war zuversichtlich, den Schuss ab wehren zu können. Sie erinnerte sich an jene Nacht, in der sie Laurin das erste Mal (zumindest das erste Mal wissentlich) begegnet war ... auf dem Dach des Parkhauses. Auch damals hatte sie einen seiner Pfeile abgewehrt - und das noch ganz ohne magische Klinge.
Svenya beruhigte ihren Atem und konzentrierte sich darauf, nicht zu zwinkern, um den Moment nicht zu verpassen, in dem Laurin den Pfeil von der Sehne fliegen lassen würde. Trotz ihrer Angeschlagenheit hielt sie die Balance - das Gewicht ihres Körpers auf beide Beine verteilt, sodass sie in jede Richtung ausweichen konnte.
Ihr Plan war, nachdem sie den Schuss abgelenkt haben würde, ihren Speer zu greifen und ihn Laurin entgegen- oder hinterherzuschleudern. Der Schwarze Prinz hatte in ihren Augen für den Moment jede Chance auf ihre Gnade vertan.
So stand sie da, die Hüterin Midgards, einen Sekundenbruchteil lang, der sich in ihrer Wahrnehmung zu einer kleinen Ewigkeit hinzog - auf den Pfeil wartend und bereit, ihren Erzfeind zu töten, auf dass er nie wieder nur aufgrund ihrer Barmherzigkeit dazu in der Lage sein würde, Unschuldige wie die Kinder Elbenthals oder Freunde wie Loga zu gefährden oder zu verletzen.
Kaum hatte sie diese Entscheidung gefällt, sah sie, wie sich in Laurins Blick etwas veränderte - fast so, als könne er ihre Gedanken lesen ... oder zumindest den einen, den sie gerade hatte. Die Entschlossenheit in seinem Blick wich ... bekam den leichten Anstrich einer plötzlichen Melancholie, ja vielleicht gar Traurigkeit ... und auch seine perfekt gespannte Körperhaltung löste sich; wenn auch nur ein klein wenig. Es war so, als würde er sie aus dem Fokus verlieren - sogar die Spitze des Pfeils, die auf Svenya gerichtet war, begann, kaum merklich hin und her zu schwanken.
Svenyas Herz verstolperte einen Takt, und - nicht zum ersten Mal, wie sie jetzt merkte - legte sich ein Hauch von Mitgefühl um ihre Brust.
Er will doch auch einfach nur nach Hause, war der Gedankenquell dieses plötzlichen Mitgefühls. Er ist doch auch nur Spielball eines Schicksals, für das er nicht verantwortlich ist. Opfer der Lügen eines trügerischen Gottes. Des Feuer-Tricksters Loki.
Doch Svenya riss sich zusammen. Das durfte nichts ändern. Laurin trug vielleicht nicht die Verantwortung für diesen ewigen Konflikt zwischen den Licht- und den Dunkelelben, aber er trug die Verantwortung für seine Taten. Sie sah die verletzten Krieger in der um sie herum tobenden Schlacht, dachte an Loga, aber vor allem an die Kinder in der Schatzkammer...
Das Mitgefühl verschwand so plötzlich, wie es gekommen war, und Svenya wartete auf den Schuss. Aber der kam nie...
Ein lautes Kreischen und ein riesiger Schatten von der Seite zogen sowohl Laurins als auch Svenyas Blick auf sich.
Stjarn!
Hagen auf seinem Rücken.
Der Greif katapultierte sich mit voller Geschwindigkeit in die Flanke der Fleymys Laurins und warf sie samt ihres Reiters zur Seite. Laurins Pfeil ging weit ins Leere, und Svenya sah, wie der Schwarze Prinz zu kämpfen hatte, seine Fledermaus wieder unter Kontrolle zu bringen.
»Ich übernehme ihn!«, rief Hagen Svenya zu. »Du suchst den Drachen. Und wenn du ihn
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