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Der schwarze Prinz

Titel: Der schwarze Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Netty
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deine wahre Natur.
    Lasse deine Macht lebendig werden
    Zum Schrecken aller Feinde
    Und zu Ehren deines Blutes.
     
    »Du beschwörst deine Rüstung?«, fragte der Drache mit einem hämischen Schmunzeln. »Was hast du vor? Willst du es den Elben gleichtun und mich foltern, bis ich dir sage, wo das Schwert liegt?«
    »Du bist allwissend«, sagte sie, drehte sich wieder zu ihm herum und zuckte mit den Schultern. Sie nahm den eine Elle langen Stab, den sie Hagen abgeluchst hatte, von ihrem Gürtel und verwandelte ihn mit dem puren Zauber ihrer Gedanken in den mächtigen Doppelspeer, der er in Wirklichkeit war. »Du musst doch wissen, was ich vorhabe.«
    Oegis knurrte humorlos, wobei seine spitzen Reißzähne aufblitzten. »Du weißt, dass das so nicht funktioniert. Ich bin nicht wirklich allwissend. Ich sehe nur die Antworten auf die Fragen, die man mir stellt ... wie ein Orakel ... nie die Antworten auf die Fragen, die ich selbst habe ... aber manchmal, da habe ich ... nun ja, sagen wir Eingebungen ... von Dingen, die noch geschehen werden.«
    »Wenn du tatsächlich nicht allwissend bist, wie weißt du denn, wer ich wirklich bin, ohne dass ich dich jemals danach gefragt habe?«
    Da war es wieder, dieses vergnügte Glucksen, das er manchmal ausstieß und das Svenya jedes Mal eine Gänsehaut über den Rücken jagte. »Um zu erkennen, wer oder was du wirklich bist, braucht man keine Allwissenheit und auch keine prophetische Gabe.«
    »Du brennst darauf, es mir zu sagen, nicht wahr?«, erkannte sie da zum ersten Mal in absoluter Klarheit.
    Oegis stieß einen sehnsuchtsvollen Seufzer aus. »Oh jaaaa! Es würde alles ändern, Hüterin. Doch wenn du mich nicht direkt danach fragst, hindert mich Alberichs Fluch daran, es preiszugeben ... so wie er dich daran hindert, zu fragen.«
    »Ja, das sagtest du schon einmal. So wie ich schon einmal sagte, dass ich nicht deswegen hier bin.« Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie das Emblem auf ihrem Handrücken berührte, um die in ihre Rüstung eingearbeitete Tarnvorrichtung zu aktivieren, und dabei sah, wie sich ein Hauch Nervosität in die Augen des Drachen schlich.
    Dann sammelte sie sich, schloss die Augen und konzentrierte sich auf eine mentale Übung, die sie in den vergangenen Wochen mit König Alberich und Raik trainiert hatte. Sie atmete tiefer, aber ruhiger, und schraubte dabei Herzschlag für langsamer werdenden Herzschlag ihre körperliche Wahrnehmung herab. Mehr und mehr - Atemzug um Atemzug bis sie schließlich einen beinahe tranceähnlichen Zustand erreicht hatte. Dann erst begann sie, im Kopf eine leise Melodie zu summen ... eine einfache Melodie, eigentlich mehr ein Refrain, der sich immer und immer aufs Neue wiederholte. Erst als die Melodie und der Schlag ihres Herzens in absolutem Gleichklang waren, fügte sie der Musik den Gesang hinzu - gleichermaßen nur mental. Wenige Worte in einer Sprache, die noch älter war als Elbisch.
     
    Ki-za Me-Lam
    Su-ub nag ama-argi
    Zigsur si-i-tum
    Ich verneige mich vor der Kraft, die ist und immer war,
    Nehme sie in mich auf und trinke aus ihr die Freiheit,
    Mich zu erheben und die Schwere hinter mir zu lassen.
     
    Svenya spürte die Magie, die um sie war und mit jedem Mal, das sie den Vers wiederholte, mehr und mehr in sie drang ... sie erfüllte. Sie machte sich selbst zu einem Gefäß für die Macht, die war und immer sein würde, bis sie schließlich so voll davon wurde, dass sie sich eins fühlte mit allem, was sie umgab, und sie aus ihrem eigenen Inneren schöpfen konnte, um zu tun, was die letzte Zeile des gesungenen Zauberspruchs besagte: Sie erhob sich und ließ die Schwere ihres Körpers hinter sich.
    Sie schwebte!
    Es war, wie aufrecht unter Wasser zu schweben ... und doch nicht gleich. Die Luft um Svenya herum bot ihr, ganz anders als Wasser, keinen Widerstand, und sie musste auch keine Schwimmbewegungen machen, um ihre Position zu verändern. Ebenso wenig musste sie gehen, um voranzukommen - sie musste sich einfach nur vorstellen, sich fortzubewegen, und es geschah.
    Was sie jetzt tat, traute Svenya sich nur, weil Oegis in Ketten lag und seine Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt war. Sie schwebte nach vorne, durch eine der großen Öffnungen zwischen den Stäben des Gitters hindurch, in die Zelle des Drachen. Dabei behielt sie seinen Blick im Auge, um zu beobachten, ob er sie trotz ihrer Tarnung sehen oder ihren Standort ausmachen konnte. Doch er schaute angestrengt dorthin, wo sie eben noch

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