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Der schwarze Prinz

Titel: Der schwarze Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Netty
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musste.
    Endlich erreichte sie die Wehrhalle, die über das große Tor nach draußen auf die Brüstung führte. Hier wimmelte es geradezu von Soldaten - so dicht, dass nicht daran zu denken war, sich unbemerkt an ihnen vorbeizuschleichen. Svenya zog sich in eine Ecke zurück und sammelte sich. Obwohl ihr das Atmen schwerfiel, konzentrierte sie sich darauf, es zu beruhigen und in einen gleichmäßigen Takt zu bringen.
     
     
    Ki-za Me-Lam
    Su-ub nag ama-argi
    Zig sur si-i-tum.
     
    Ich verneige mich vor der Kraft, die ist und immer war,
    Nehme sie in mich auf und trinke aus ihr die Freiheit,
    Mich zu erheben und die Schwere hinter mir zu lassen.
     
    Langsam hob Svenya vom Boden ab und stieg senkrecht in die Höhe, bis sie hoch genug war, über die behelmten Köpfe der Soldaten hinwegzugleiten. Da hörte sie, wie jemand von weiter unten Alarm schrie. Man hatte ihre Flucht entdeckt!
    Sofort machten die Soldaten sich daran, die beiden Flügel des Tores zu schließen. Svenya beschleunigte ihr Tempo - sich dabei zwingend, nicht in Panik zu geraten, um ihre Konzentration nicht zu brechen. Wenn sie jetzt abstürzte - mitten hinein in die Menge der Krieger war sie verloren.
    Immer näher kamen sich die beiden gewaltigen Flügel aus mehrfachen Schichten eisenbeschlagener Eichenbalken ... und jetzt wurde das Fallgitter aktiviert! Svenya hörte das schnelle Rasseln der Ketten und sah den Schatten von oben herabstürzen. Sie raffte all ihre Konzentration zusammen und fokussierte sie auf einen Punkt jenseits des Ausgangs. Ihre Geschwindigkeit wurde so hoch, dass ihr Haar im Zugwind nach hinten geweht wurde.
    Um Haaresbreite schoss sie wie ein Pfeil durch die schmale Lücke zwischen den Torflügeln und dem Fallgitter hindurch ins Freie.
    Dort stand Laurin auf einer Zinne und brüllte Befehle.
    »Legt Netze aus und magische Fallen!«, rief er. »Verriegelt jede Tür und jedes Tor. Durchsucht jeden Raum! Und wenn ihr sie findet, denkt daran: Ich will sie lebend!«
    Trotz ihrer Erschöpfung und der Situation, in der sie sich befand, musste Svenya feststellen, dass es sie faszinierte, wie ähnlich Laurin Hagen gerade war, mit seinem militärischen Gehabe und seinem Kommandoton.
    Sie raste dicht an ihm vorüber und über die Zinnen hinweg. Mit dem Schwebezauber konnte sie nicht wirklich hoch fliegen - bisher immer nur ein paar Meter über dem Boden. Entsprechend stürzte sie jetzt an der steilen Außenmauer entlang in die Tiefe ... sich weiter auf den Zauber konzentrierend und darauf hoffend, dass er sie kurz über dem Höhlenboden abfangen würde.
    Hundert Meter.
    Achtzig.
    Sechzig.
    Die Fallgeschwindigkeit raubte ihr den Atem und beinahe auch die Sinne. Aber wenn sie sich jetzt nicht konzentrierte, würde auch ihr Panzer nicht verhindern, dass sie sich alle Knochen im Leib brach.
    Vierzig.
    Zwanzig.
    Da! In letzter Sekunde setzte die Wirkung des Zaubers wieder ein, und Svenya wurde so abrupt gebremst, dass sie das Gefühl hatte, unten aus ihrer eigenen Rüstung herausgeschleudert zu werden. Für einen Moment lang war ihr so schwindlig, dass sie hätte kotzen können, aber dann fing sie sich wieder, um so schnell wie möglich so viel Abstand wie möglich von Laurins Feste zu gewinnen.
     
    Lau’Ley fluchte, als sie sah, wie das Tor geschlossen wurde. Sie würde einen anderen Weg nach draußen finden müssen, wenn sie nicht riskieren wollte, entdeckt und mit der Flucht der Hüterin in Verbindung gebracht zu werden. Der Umweg würde sie wertvolle Zeit kosten, in der sie Svenyas Witterung wieder neu aufnehmen musste, um ihr zu folgen. Sie hoffte, dass sie dann, wenn sie sie schließlich fand, noch nicht tot war - denn sie brannte darauf, der Frau, die ihr Leben und das ihres Geliebten auf den Kopf gestellt hatte, beim Sterben zuzuschauen.

26
    Während das Züngeln der beiden Nadhr von oben und unten immer näher kam, verharrte Wargo auf seinem Platz in dem engen Spiraltunnel und schloss mit dem Leben ab. Alles, was nun noch blieb, war, den Anteil Mensch in seinem Sein noch weiter von sich abfallen zu lassen - um mehr Raum zu schaffen für die Bestie - und den beiden Ungetümen einen so harten Kampf wie möglich zu liefern. Um das zu tun, musste er aufhören, die Kontrolle behalten zu wollen ... die Kontrolle über sich selbst, die Situation und das Tier in ihm. Er musste die Beherrschung verlieren und sich dem hingeben, was er sein ganzes Leben lang unterdrückt hatte: seiner menschlichen Angst. Nur die konnte über den Verstand

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