Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der schwarze Prinz

Titel: Der schwarze Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Netty
Vom Netzwerk:
hinaus seine letzten Reserven mobilisieren: seine Überlebensinstinkte. Denn das Tier in ihm kannte keine Angst, nur die Entschlossenheit, nicht zu sterben. Es war so paradox, wie es logisch war: Um überhaupt eine Chance zum Überleben zu haben, musste er davon überzeugt sein, dass es diese Chance gar nicht gab, bis die Angst vor dem Tod so groß wurde, dass der Mensch in ihm sie nicht mehr ertrug und das Tier übernahm, für das wiederum die Vorstellung der Möglichkeit eines bevorstehenden Todes so abstrakt war, dass sie einfach nicht existierte ... und damit auch keine Angst ... nichts mehr, was die Wildheit lähmen würde ... nichts mehr, was die Kraft kontrollierte und damit bremste. Aber vielleicht war es auch gerade ganz entgegengesetzt: Vielleicht war die Angst die Nahrung des Tieres ... und es brauchte so viel wie möglich davon, um, ohne zu zögern, bis zum Äußersten zu gehen.
    Wargo spürte, wie sein Herz und sein Atem immer schneller gingen, und konnte den Puls in seinen Ohren pochen hören. Der Druck in ihm wurde größer ... der Brustkorb zusammengeschnürt ... die Muskeln in seinem Nacken spannten sich, und er stieß unwillkürlich einen klagenden Schrei aus, als die ersten Knochen in seinem bisher noch menschenähnlichen Leib begannen, sich zu verformen.
    Zuerst trieb es ihm den Schweiß aus allen Poren und dann die Haare, die am ganzen Körper länger und länger wuchsen, bis alle Poren sich geschlossen hatten und seine Haut dick und lederartig geworden war. Seine Wirbelsäule wölbte sich zu einem enger werdenden Bogen, während der Brustkorb breiter und nach vorne hin länger wurde. Die Kiefer verformten sich zu einer spitzeren Schnauze, die Fänge darin nahmen an Größe zu, und Wargo schmeckte das Blut seines eigenen Gaumens auf der Zunge. Der Schmerz half der Angst, das Menschliche in ihm zu verjagen, und er schrie ein weiteres Mal auf. Lauter diesmal. Viel lauter.
    Die Klauen an seinen Händen wurden länger, dunlder ... härter, schärfer. Je schneller sein Herz raste, umso schneller ging die Verwandlung vonstatten ... weiter, als er sie in vielen Jahren zugelassen hatte.
    Mit seiner immer feiner werdenden Nase witterte er die beiden Riesenschlangen ... den Schmodder der Höhlen, der sich zwischen ihren Schuppen eingenistet hatte ... die giftige Fäulnis an den Wurzeln ihrer Fangzähne ... von der Verwesung der Reste ihrer letzten Opfer.
    Wargo sank auf alle viere hinab und schwenkte den großen, nun sehr viel wolfsähnlicheren Kopf von einer zur anderen Seite, um herauszufinden, welche der zwei Nadhr zuerst bei ihm erscheinen würde. Sein Leib vibrierte von dem Knurren, das durch ihn hindurch grollte wie ein anschwellender Donner aus dem Hammer Thors. Seine gewaltigen Muskeln spannten sich, bis sie nicht mehr härter werden konnten, und seine Flanken zitterten vor Erregung, die das durch seine Adern pumpende Adrenalin schürte.
    Er fühlte sich, als würde er in Flammen stehen, und war bereit zu explodieren.
    Überraschenderweise war es die von unten kommende Nadhr, die ihn zuerst erreichte - offenbar war sie, nachdem Brodhir sie abgehängt hatte, mit immensem Tempo nach oben geeilt, um ihren ursprünglichen Posten wieder einzunehmen. Die Riesenschlange war sichtlich noch aufgebracht von der vergeblichen Verfolgungsjagd. Sobald sie Wargo entdeckte, stürzte sie sich unverzüglich mit einem wilden Fauchen auf ihn und spuckte schon in der Bewegung ihr Gift, ohne sich die Zeit zu nehmen, genauer zu zielen.
    Wargo sprang ihr über den beißend stinkenden Giftstrahl hinweg entgegen und krallte sich auf dem Rücken ihrer Schnauze fest, sodass sie nicht mit ihren nadelspitzen Fangzähnen an ihn gelangen konnte. Die Nadhr reagierte sofort und schleuderte ihren eigenen Kopf hart gegen die Felswand. Statt ihres Schädels knallte Wargo brutal gegen den Stein, und die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst. Nur ein Anspannen seiner ohnehin eisenharten Muskeln hatte ihn davor bewahrt, dass ihm sämtliche Knochen im Leib zu Brei zerschlagen worden waren.
    Wargo schüttelte die Benommenheit ab und hechtete weiter - an den blinden Augen der Nadhr vorüber zu ihrem Nacken ... sodass der zweite Schlag, den sie jetzt mit dem Kopf gegen die andere Wand ausübte, voll auf ihre eigenen Kosten ging. Sie schrie und bäumte sich auf... machte einen Buckel, um Wargo mit dem oberen Rücken gegen die Decke des Ganges zu quetschen und ihn mit schlängelndem Hin- und Herreiben zwischen ihren Schuppen und dem Gestein

Weitere Kostenlose Bücher