Der schwarze Schattenjaeger
Schwärmen.
„Ein verbitterter Prinz, der sich in seinem Schloss verbarrikadiert und die vielen Seelen der Menschen …“, beginne ich meinen Satz, bevor Valom ihn weiterspricht: „… die er auf dem Gewissen hat.“
Ich starre ihn ungläubig an. Hat er etwa dieses Buch ebenso verschlungen wie ich?!
„Du magst also gehobene Literatur?“, fragt er begeistert. Na ja, was sollte ich dazu sagen? Schon. Ja, manchmal sehr gerne. Aber ich lese auch viele kitschige Liebesromane, Fantasy-Geschichten und Märchen. Horror und Thriller können mich ebenso überzeugen.
„Ähm, ja, auch“, antworte ich knapp, ohne die schnulzigen Geschichten zu erwähnen, die mich ständig zum Heulen bringen.
„Was, glaubst du, hatte die weiße Eule zu bedeuten?“, fragt er mich und plötzlich befinden wir uns in einer heißen Diskussion.
Die Zeit ist so schnell vergangen, dass ich von dem abnehmenden Sonnenlicht überrascht werde.
Irritiert sehe ich auf mein Handy.
„Oh! Es ist ja schon nach 16.00 Uhr.“ Die Zeit ist wirklich wie im Nu verflogen. Wir sind in den letzten Stunden den Fluss entlanggelaufen, sogar bis an den Waldrand, bevor wir den Weg in das Wandergebiet betraten. Ich erkannte sogar den Weg, auf dem wir uns nun befinden, obwohl rings um uns herum nur Bäume und Schnee sind. Touristen würden sich hier mit Sicherheit längst verlaufen haben, die Onkel Roger dann suchen müsste, da sie am Abend noch immer nicht von ihrem Ausflug zurückgekehrt wären.
„Ich kann von hier aus mein Haus sehen“, sage ich und spüre, wie unsicher meine Stimme doch klingt. Sollte ich noch weiter mit ihm spazieren gehen oder ihn zurück nach Pemberton begleiten? Steht dort vielleicht seine Kutsche oder ist er zu Fuß nach Pemberton gelaufen? Oder … sollte ich ihn zu mir nach Hause einladen, damit er sich aufwärmen kann? Ich spüre meine Zehen kaum noch, doch ich will nicht weinerlich sein und mich deswegen beschweren. Ihm ergeht es mit Sicherheit genauso, und wenn er noch einen so langen Fußmarsch vor sich hat, ist es unhöflich, ihn nicht hinein zu bitten. Was, wenn er tatsächlich zu mir nach Hause kommt und mein Zimmer sehen will? Gut, es ist aufgeräumt, aber ich habe meine Kleidung nicht weggeräumt, die quer über den Fußboden verteilt liegt. Was, wenn wir alleine in meinem Zimmer sein würden und er und ich … Da ist wieder diese Hitze, die mich dazu bringt, einen Schritt von Valom wegzutreten und mich herumzudrehen. Sicher dampft mein Kopf wie eine heiße Nudelsuppe, wenn man den Deckel vom Topf nimmt. Ich räuspere mich und tue so, als hätte ich an meiner Jacke herumgezupft, bevor ich mich wieder zu ihm drehe.
„Das ist doch ein perfektes Timing“, sagt Valom, der seine Hände noch immer in beiden Jackentaschen vergraben hat. Er sieht gar nicht verschwitzt aus oder so, als sei er gerade nicht vier Stunden lang bergauf durch den Schnee gelaufen. Valom ist sicher von Kopf bis Fuß durchtrainiert. Ich beiße mir auf meine Unterlippe und stelle mir gerade vor, wie er wohl ohne seine Jacke aussieht. Es schüttelt mich, denn solche Gedanken will ich nicht haben! Zumindest nicht jetzt. Am Abend vielleicht, wenn ich alleine bin, aber doch nicht, wenn Valom mir direkt gegenübersteht!
„Bist du mit der Kutsche hier?“, frage ich und fühle wieder dieses Kribbeln im Bauch. Bitte sag nein! Dann kann ich dir mein Zimmer zeigen und vielleicht können wir dann weitersprechen und uns über Bücher unterhalten und … huh! Danke, Abby, dass du das alles eingefädelt hast. Würde es dich nicht geben und deine unglaubliche Art, alles in die Hand nehmen zu wollen, dann würde ich heute Abend sicher wieder traurig im Bett liegen und Valom nie wiedersehen.
„Ja, sie steht aber noch in Pemberton. Es ist ja nicht weit von hier.“ Als er das sagt, nimmt er meine Hand und streichelt über meine Finger. Was ist denn jetzt los?! Was macht er da? Ich wehre mich nicht dagegen, da ich gar nicht weiß, was er vorhat.
„Du hast ganz kalte Finger, auch wenn du Handschuhe trägst. Deine Füße sind sicher auch schon ganz durchgefroren“, sagt er ruhig und lässt wieder von mir ab. Konnte er etwa meine Eisfinger durch die Handschuhe fühlen? Er trägt doch selbst welche. Oder war das nur ein Annäherungsversuch? Mein Herz pocht so schnell, als würde ich einen Marathon rennen, doch ich wage es und gehe einen winzigen Schritt auf ihn zu, sodass sich die Distanz zwischen uns auf wenige Zentimeter reduziert. Wie wäre es wohl, wenn er mich
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