Der schwarze Schattenjaeger
Warum rege ich mich nur so auf? Ist es nicht eigentlich total egal, ob Valom mich mag? Für eine Beziehung habe ich ja doch keine Zeit, also warum kommt in mir das Bedürfnis hoch, losweinen zu wollen?
„Ist es dir lieber, wenn ich dich jeden Tag anrufe und versuche, dich zu etwas zu bewegen, für das du noch nicht bereit bist?“ Valom lässt nun von mir ab und ich ziehe meine Hand sofort eng an meinen Körper. Nur langsam wende ich mich ihm zu und blinzele Valom unsicher an.
„Nein. Natürlich nicht. Ich dachte nur, dass du es vielleicht … Ich weiß auch nicht. Dass es dir vielleicht unangenehm ist und du nur höflich bist und mir deswegen nicht sagst, dass du …“ Jetzt rede ich schon wieder so einen Unsinn daher!
„Ich mag dich aber und da kannst du auch gar nichts dran ändern. Es ist alles in Ordnung. Wirklich.“
„Aber warum? Wir kennen uns doch gar nicht?!“, entgegne ich ihm forsch. Eigentlich möchte ich nur hören, dass er mich nicht mag. Denn das wäre einfacher. Valom würde aus meinem Leben verschwinden und ich könnte mich wieder voll und ganz meiner Mom widmen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.
„Du bist etwas ganz Besonderes. Als ich dich gesehen habe und du mir damals diesen Tee gereicht hast, da hatte ich das Gefühl, dich einfach mögen zu müssen. Es ist dein Lächeln. Dein Augenaufschlag. Dieser schüchterne und unsichere Blick, wenn ich dich ansehe. Er ist ganz anders als die der anderen Mädchen. Du liest Bücher. Mit dir kann ich mich unterhalten und lachen. Ernst sein. Du hast recht, ich kenne dich nicht. Noch nicht. Aber wenn du mich lässt, dann will ich alles über dich erfahren, sodass ich irgendwann sagen kann, dass ich dich kenne.“
Das … war das Süßeste, was ich je von irgendjemandem gehört habe. Oder lesen durfte. Ich sehe Valom mit großen Augen an und würde ihm am liebsten um den Hals fallen. Ihn küssen. Und umarmen. Ganz fest an mich drücken und seine Hände auf meinem Körper spüren. Das Gefühl zulassen, in seinen Armen zu liegen und Geborgenheit zu empfinden. Stattdessen starre ich ihn weiter an und schaffe es nicht, mich zu bewegen.
„Darf ich dich nach Hause fahren?“, fragt er mich dann, während er meine Decke zurechtrückt, damit ich nicht friere. Ich nicke nur und blicke beschämt beiseite. Er ist so einfühlsam und tut einfach alles, damit ich mich wohl fühle und ich fahre ihn so an.
Wir schweigen die restliche Fahrt über, denn ich traue mich nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Nicht einmal eine Entschuldigung kommt mir über die Lippen, als wäre es eine andere Sprache, die ich nicht verstehe und nicht sprechen kann.
Wir erreichen das Haus und Valom stoppt die Kutsche. Ich bleibe sitzen und greife in die Decke, halte mich an ihr fest und versuche, meine Gedanken zu sortieren. Soll ich ihn noch mit hinein bitten? Auf einen Tee? Mom will ihn schließlich auch kennenlernen. Jetzt ist doch die ideale Gelegenheit! Vor allem nachdem ich nun weiß, dass Mom all die Zeit über wusste, dass es meine zwei Freundinnen nie gegeben hat. Dass ich sie anlüge. Über so viele Monate.
„Wir haben Wasser in der Küche“, sage ich dann und kneife im selben Moment meine Augen zusammen. Ernsthaft? Wasser in der Küche? Toll. Ganz toll.
„Ein Rohrbruch?“, fragt Valom.
„Nein ähm. Das Wasser kommt aus dem Wasserhahn“, erkläre ich und fuchtele dabei mit meinen Händen herum.
Es ist das erste Mal, dass ich sehe, wie Valom mich irritiert ansieht. Aber das ist nicht von Dauer. Er rutscht etwas näher und flüstert: „Habt ihr auch Tee?“ Er muss wirklich klug sein, wenn er das aus meinen seltsamen Andeutungen herauslesen kann. Ich nicke und beginne, die Decke zusammenzufalten.
„Gerne“, fügt Valom mit sanfter Stimme hinzu und nimmt mir die Decke ab.
Ehe er mir helfen kann, springe ich mit einem Satz von der Kutsche. Er folgt mir und befestigt die Kusche, sodass sie nicht wegrollen kann. Die Pferde streichelt er noch einmal zum Abschied und befestigt ein Seil an einem Pfeiler, der neben den Mülltonnen steht. Ich beobachte ihn bei seinen geübten Handgriffen und schließe derweil die Haustür auf, öffne sie aber nur einen Spalt. Valom weiß ja noch gar nichts über den Zustand meiner Mom! Was, wenn ihn das verschreckt? Andererseits ist Valom so ein besonnener Mensch, der mir solch eine Ruhe vermittelt, dass er damit sicher umgehen kann. Valom tritt an mich heran und ehe er mich etwas fragen kann, sage ich: „Meiner Mom geht es
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