Der schwarze Schleier
Sie’s.
Wir waren unten in Lancaster, und ich hatte zwei Abende lang mehr als durchschnittliche Geschäfte gemacht (wenn ich die Leute dort auch auf Ehre nicht als schnelle Käufer bezeichnen kann) auf dem Marktplatz dort, beim Ende der Straße, wo Mr. Slys
King’s Arms and Royal Hotel
steht. Mims reisender Riese namens Pickleson versuchte zufällig genau zur gleichen Zeit in der Stadt sein Glück. Er hatte die vornehme Art für sich entdeckt. Keine Spur von einem Karren. Mit feinem grünem Tuch ausgeschlagener Eingang, der einen zu Pickleson in ein Auktionslokal führte. Gedrucktes Plakat: »Liste der Freikarten beschränkt auf jenen Stolz eines jeden aufgeklärten Landes, die freie Presse. Schulklassen nach Vereinbarung. Keine der Darbietungen wird auch nur den Hauch eines Errötens auf die Wangen eines jungen Menschen bringen oder die verwöhntesten Zuschauer empören.«
Mim saß, gotteslästerlich fluchend, in einem mit rosa Kaliko verkleideten Kassenhäuschen, weil das Publikum sich so lange bitten ließ. In allen Läden waren Handzettel verteilt, die einem ernsthaft versicherten, es wäre so gut wie unmöglich, die Geschichte von David recht zu verstehen, wenn man nicht Pickleson gesehen hatte.
Ich ging also in besagtes Auktionslokal, und es war, abgesehen von Echos und Schimmel, völlig leer, mit der einzigen Ausnahme von Pickleson, der auf einem groben roten Wollteppich stand. Das passte mir gut, denn ich wollte ja unter vier Augen ein vertrauliches Wort mit ihm reden,und das war: »Pickleson. Da ich dir viel Glück verdanke, habe ich dich mit einem Fünfpfundschein in meinem Testament bedacht; aber, um uns die Mühe zu ersparen, hier sind vier Pfund zehn auf den Tisch des Hauses, was dir doch genauso lieb sein sollte, und damit ist der Handel abgeschlossen.«
Pickleson, der bis zu dieser Bemerkung das jämmerliche Ebenbild eines langen römischen Binsenlichtes abgegeben hatte, das man niemals zum Brennen bekommen würde, leuchtete nun am oberen Ende geradezu auf und brachte seine Danksagungen auf (für seine Verhältnisse) geradezu parlamentarisch beredsame Weise zum Ausdruck. Er fügte noch hinzu, dass Mim ihm, nachdem er als Römer die Leute nicht mehr in Scharen herbeilockte, vorgeschlagen hatte, als indianischer Riese aufzutreten, den »Die Tochter des Milchmanns« 10 bekehrt hätte. Das hatte er, Pickleson, abgelehnt, da er mit dem nach der jungen Frau benannten Traktat nicht vertraut war und eine solche Rolle mit seinen ernsthaften Auffassungen nicht vereinbaren konnte, was zu einem heftigen Wortwechsel und zum Streichen der Bierration des unglückseligen jungen Mannes geführt hatte. All das wurde während des gesamten Gesprächs durch Mims wildes Knurren unten aus dem Kassenhäuschen bestätigt, das den Riesen wie Espenlaub erzittern ließ.
Aber was sich in den Bemerkungen des reisenden Riesen namens Pickleson auf meine gegenwärtige Erzählung bezog, war dies: »Doktor Marigold«, sagte er, und ich gebe seine Worte ohne die geringste Hoffnung wieder, ihre Kraftlosigkeit auch nur annähernd zu vermitteln, »wer istder fremde junge Mann, der um eure Karren herumschleicht?«
»Der fremde junge
Mann
?«, erwiderte ich, da ich glaubte, er hätte sie gemeint und in seiner Kraftlosigkeit etwas verwechselt.
»Doktor«, erwiderte er mit solcher Betonung, dass sie selbst einem Mann eine Träne in die Augen getrieben hätte. »Ich bin zwar schwach, aber so schwach nun doch nicht, dass ich den Unterschied nicht kennen würde. Ich wiederhole es noch einmal, Doktor. Der fremde junge Mann.«
Es stellte sich dann heraus, dass Pickleson, der gezwungen war, sich die Beine nur dann zu vertreten, wenn man ihn nicht umsonst sehen konnte (nämlich mitten in der Nacht und bei Tagesanbruch), diesen unbekannten jungen Mann in dieser Stadt Lancaster, wo ich erst zwei Abende war, zweimal um meine Karren hatte herumstreichen sehen.
Das hat mich ziemlich bestürzt. Was es genau bedeutete, ahnte ich genauso wenig, wie Sie es jetzt ahnen, aber es hat mich ziemlich bestürzt. Jedenfalls tat ich es Pickleson gegenüber leichthin ab, und dann verabschiedete ich mich von Pickleson, nachdem ich ihm geraten hatte, sein Erbe dazu zu verwenden, seine Konstitution zu stärken und ansonsten weiterhin zu seiner Religion zu stehen. Gegen Morgen hielt ich Ausschau nach dem fremden jungen Mann und – mehr noch – erblickte denn auch den fremden jungen Mann. Er war gut gekleidet und sah gut aus. Er lungerte ganz in der Nähe meiner
Weitere Kostenlose Bücher