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Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Beckwith, »der jederzeit freien Zugang zu all deinen Räumen hatte, damit er die starken Getränke trinken konnte, die du ihm dort in den Weg gestellt hattest, auf dass er ein früheres Ende fände, der wollte mit dir genauso wenig zu tun haben, wie er mit einem Tiger zu tun haben wollte, der hatte seinen Generalschlüssel für all deine Schlösser, sein Reagens für alle deine Gifte, seinen Code für all deine Chiffren. Er kann dir genauso gut, wie du es ihm sagen könntest, berichten, wie lange es gedauert hat, die üble Tat zu vollbringen, wie viele Dosen in welchen Abständen an die junge Frau verabreicht wurden, welche Anzeichen für den allmählichen Verfall des Geistes und des Körpers zu sehen waren; welche zerrüttenden Phantasien heraufbeschworen wurden, welche beobachtbaren Veränderungen, welche körperlichen Schmerzen. Er kann dir genauso gut, wie du es ihm sagen könntest, berichten, dass all dies Tag für Tag aufgezeichnet wurde als eine Lektion und Erfahrung für die Zukunft. Und er kann dir, besser als du es ihm sagen könntest, berichten, wo dieses Tagebuch sich im Augenblick befindet.«
    Slinkton hielt in der Bewegung seines Fußes inne und schaute Beckwith an.
    »Nein«, sagte der, als beantwortete er eine Frage. »Nicht in der Schublade deines Schreibtisches, die sich mit einer Feder öffnen lässt; da ist es nicht, und dort wird es auch nie wieder sein.«
    »Dann bist du ein Dieb!«, sagte Slinkton.
    Ohne irgendeine Veränderung in seiner unbeugsamen Entschlossenheit, die selbst für mich furchterregend anzusehen war und von der ich immer überzeugt gewesen war, dass der Schurke ihrer Gewalt unmöglich entkommen konnte, erwiderte Beckwith: »Und der Schatten deiner Nichte bin ich auch.«
    Mit einem Fluch griff sich Slinkton an den Kopf, riss sich ein Büschel Haare aus und schleuderte es zu Boden. Das war das Ende des glatten Pfades; mit dieser Handlung zerstörte er ihn, und man wird bald sehen, dass er nun Vergangenheit war.
    Beckwith fuhr fort: »Wann immer du hier fortgegangen bist, bin ich auch gegangen. Obwohl ich verstanden hatte, dass du es für nötig befandest, vor dem Ende deiner Unternehmungen eine Pause einzulegen, um keinen Verdacht zu erregen, habe ich dich doch ständig überwacht, wenn du mit dem armen, vertrauensseligen Mädchen zusammen warst. Als ich das Tagebuch gefunden hatte und alles Wort für Wort lesen konnte – das war erst am Abend vor deinem letzten Besuch in Scarborough –, du erinnerst dich an jene Nacht? Du schliefst mit einem kleinen flachen Fläschchen, das du dir ans Handgelenk gebunden hattest. Da schickte ich nach Mr. Sampson, der nicht in Erscheinung trat. Das hier ist Mr. Sampsons getreuer Bediensteter, der bei der Tür steht. Wir drei haben miteinander deine Nichte gerettet.«
    Slinkton schaute uns an, machte ein, zwei unsichere Schritte von der Stelle, an der er gestanden hatte, kehrte dorthin zurück und schaute sich sehr merkwürdig um – wie eines der geringeren Reptilien es vielleicht machen würde, wenn es sich nach einem Schlupfloch umsieht, in dem es sich verstecken kann. Gleichzeitig bemerkte ich, dass eine einzigartige Veränderung mit der Gestalt des Mannes vor sich gegangen war – es war, als sei sie in seinen Kleidernzusammengesackt, sodass sie nun formlos und schlecht sitzend an ihm herunterhingen.
    »Du sollst wissen«, sagte Beckwith, »denn ich hoffe, dass dieses Wissen bitter und schmerzlich für dich ist, warum dich ein Mann so verfolgt hat und warum, wenn schon die Interessen des Unternehmens, das Mr. Sampson repräsentiert, jede Summe gerechtfertigt hätten, um dich zur Strecke zu bringen, warum du dann von einer einzigen Person so zu Tode gehetzt wurdest. Ich habe mir sagen lassen, du hast ab und zu den Namen Meltham auf den Lippen geführt?«
    Ich sah nun, dass zusätzlich zu all den anderen Veränderungen plötzlich Slinktons Atem zu stocken schien.
    »Als du das liebenswerte Mädchen, das du ermordet hast (und du weißt, unter welchen kunstvoll erfundenen Umständen und Wahrscheinlichkeiten du sie geschickt hast) in Melthams Kontor schicktest, ehe du mit ihr ins Ausland fuhrst, um dort das in die Wege zu leiten, was sie ins Grab brachte, da war es Meltham beschieden, sie zu empfangen und mir ihr zu sprechen. Es war ihm jedoch nicht beschieden, sie zu retten, wenn ich auch weiß, dass er sein Leben darum gegeben hätte, es getan zu haben. Er bewunderte sie – ich würde sogar sagen, er liebte sie von ganzem Herzen, wenn ich es

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