Der schwarze Schleier
Schneiderwerkstatt aussah, zu groß geraten und etwas heruntergekommen. Nun stampfte dieser Jüngling mit dem Fuß auf und schaute Tom sehr grimmig an, und Tom schaute grimmig zurück – denn, um der Wahrheit die Ehre zu geben, meine Herren, hegte Tom mehr als nur einen Verdacht, dass der Jüngling, als sie das Zimmer betreten hatten, gerade eine der jungen Damen geküsst hatte; und soweit Tom wusste, müssen Sie verstehen, hätte das ja
seine
junge Dame sein können – und das war doch nicht angenehm.
›Sir‹, sagte Tom, ›ehe wir weitermachen, hätten Sie die Güte, mir mitzuteilen, wer dieser junge Feuersalamander‹ – Tom nannte ihn aus Erbitterung so, müssen Sie wissen, meine Herren – ›wer dieser junge Feuersalamander wohl sein mag?‹
›Das, Mr. Grig‹, sagte der alte Herr, ›ist mein kleiner Junge. Er wurde Galileo Isaac Newton Flamstead 5 getauft. Scheren Sie sich nicht um ihn. Der ist noch ein Kind.‹
›Und ein sehr feines Kind dazu‹, sagte Tom – immer noch erbittert, werden Sie bemerken –, ›für sein Alter, und sicher so gut wie fein, da habe ich keinen Zweifel. Wie gehtes dir, mein Lieber?‹ Und mit diesen freundlichen und herablassenden Worten streckte Tom die Hand aus und tätschelte ihm den Kopf, zitierte dazu zwei Zeilen über kleine Jungen aus Doktor Watts’ 6 Kirchenliedern, die er in der Sonntagsschule gelernt hatte.
An der gerunzelten Stirn des Jünglings und daran, wie die Zofe den Kopf nach hinten warf, und daran, dass die jungen Damen ihnen den Rücken zukehrten und am anderen Ende des Zimmers miteinander tuschelten, war sehr leicht abzulesen, meine Herren, dass niemand außer dem alten Herrn den edlen Fremden gut aufzunehmen gewillt war. Wahrhaftig hörte Tom klar und deutlich, wie die Zofe von ihrem Herrn sagte, dass er zwar vorgebe, die Sterne gut lesen zu können, sie aber nicht glaube, dass er auch nur ihr Alphabet kenne, dass er zumindest nicht weiter als bis zu Wörtern von einer Silbe vorgedrungen sei; aber Tom, dem das einerlei war (denn er war nach dem Madeira sehr belebt), schaute mit freundlicher Miene auf die jungen Damen, warf jeder von ihnen eine Kusshand zu und fragte den alten Herrn: ›Welche ist welche?‹
›Dies‹, erwiderte der alte Herr und führte die hübscheste herbei, wenn man denn überhaupt eine hübscher als die andere nennen konnte, ›dies ist meine Nichte, Miss Fanny Barker.‹
›Wenn Sie mir erlauben, Miss‹, sagte da Tom, ›als edlem Fremden und Günstling der Planeten, mich auch so zu verhalten.‹ Mit diesen Worten küsste er die junge Dame höchst freundlich, wandte sich wieder dem alten Herrn zu, hieb ihm kräftig auf die Schulter und meinte: ›Wann soll es denn nun sein, mein guter Kamerad?‹
Die junge Dame errötete so heftig und ihre Lippe bebte so sehr, meine Herren, dass Tom wirklich dachte, sie würde zu weinen beginnen. Aber sie hielt ihre Gefühle im Zaum und sagte, sich zu dem alten Herrn wendend: ›Lieber Onkel, obwohl du die vollkommene Verfügungsgewalt über meine Hand und mein Vermögen hast und obwohl du es sicher gut meinst, wenn du beides so vergibst, möchte ich dich fragen, ob du nicht denkst, dies könnte ein Fehler sein?‹, sagte sie. ›Dass sich die Sterne irren müssen? Ist es nicht möglich, dass der Komet sie gestört hat?‹
›Die Sterne‹, erwiderte der alte Herr, ›könnten keinen Fehler machen, selbst wenn sie es versuchten. Emma‹, sagte er zu der anderen jungen Dame.
›Ja, Papa‹, antwortete sie.
›Am gleichen Tag, an dem deine Base Mrs. Grig wird, wirst du mit dem begabten Mooney vereint. Bitte keine Vorwürfe – keine Tränen. Nun, Mr. Grig, lassen Sie sich in jene heiligen Hallen, in jene philosophische Zufluchtsstätte führen, wo mein Freund und Partner, der begabte Mooney, von dem ich gerade gesprochen habe, jetzt eben im Begriff ist, jene Entdeckungen voranzutreiben, die uns reich an dem kostbaren Metall und zu Herrschern der Welt machen werden. Kommen Sie, Mr. Grig‹, sagte er.
›Von Herzen gern‹, erwiderte Tom, ›und viel Glück dem begabten Mooney, sage ich – nicht so sehr um seinetwillen, als um unserer selbst willen, die wir es verdienen!‹ Tom warf den Damen wiederum Handküsse zu und folgte dem alten Herrn aus dem Zimmer; wobei er noch die Genugtuung hatte, beim Zurückblicken wahrzunehmen, dass sie alle miteinander an den Armen und Beinen des Galileo Isaac Newton Flamstead hingen, um ihn daran zu hindern, dem edlen Fremden nachzustürzen und ihn in
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