Der schwarze Schleier
nicht wahrgenommen hast; aber, vollends zur Verzweiflung getrieben, lege ich nun alle weibliche Zurückhaltung ab und gestehe dir meine Liebe. O grausamer, grausamer Mann!‹ Und mit diesem Vorwurfe bettete sie ihren Kopf an die Brust des Begabten und schlang auf zärtlichste Art ihre Arme um ihn, meine Herren.
›Und ich‹, sagte da die andere junge Dame in einer Art Verzückung, die Tom zusammenfahren ließ, ›ich schwöre hiermit ebenfalls dem mir versprochenen Ehemann ab. Hör mich an, du Kobold!‹ Dies war an den Begabten gerichtet. ›Hör mich an! Ich verachte dich zutiefst. Das närrische Gespräch dieses einen Abends hat meine Seele mit Liebe erfüllt – aber nicht zu dir. Sondern zu dir, zu dir, junger Mann‹, rief sie Tom zu. ›Wie Monk Lewis 8 einmal so fein beobachtet hat: Thomas, Thomas, ich bin dein, Thomas, Thomas, du bist mein: dein für ewig, mein für ewig.‹ Und mit diesen Worten wurde auch sie sehr zärtlich.
Tom und der Begabte sahen einander, wie Sie sehr wohl glauben mögen, meine Herren, recht verlegen an und voller Gedanken, die den beiden jungen Damen nicht gerade schmeichelten. Was den Begabten betrifft, so habe ich Tomoft sagen hören, dass er sich sicher war, der hätte einen Anfall gehabt, einen innerlichen.
›Sprich mit mir! Oh, sprich mit mir!‹, rief nun Toms junge Dame dem Begabten zu.
›Ich will mit niemandem sprechen‹, antwortete der, als er endlich seine Stimme wiedergefunden hatte, und versuchte, sie von sich zu stoßen. ›Ich glaube, ich gehe jetzt besser. Ich habe – ich habe Angst‹, sagte er und schaute sich um, als hätte er etwas verloren.
›Kein einziger liebevoller Blick!‹, rief sie. ›Hör mich an, wenn ich dir erkläre …‹
›Ich weiß gar nicht, wie man liebevoll blickt‹, versetzte er ganz verdattert. ›Erkläre nichts. Ich will niemanden hören.‹
›So ist’s recht!‹, rief da der alte Herr (der anscheinend gelauscht hatte). ›So ist’s recht! Höre nicht auf sie. Emma heiratet dich morgen, mein Freund, ob sie will oder nicht, und
sie hier
wird Mr. Grig heiraten.‹
Meine Herren, diese Worte waren kaum über seine Lippen gekommen, da kam auch schon Galileo Isaac Newton Flamstead (der anscheinend auch gelauscht hatte) hereingestürzt und wirbelte herum wie der Kreisel eines Riesenkindes. ›Lass sie doch. Lass sie doch. Ich bin wild; ich bin wütend. Ich erlaube es ihr. Nach all dem hier heirate ich niemals irgendjemanden – niemals. Es ist einfach nicht sicher. Sie ist die falscheste unter den falschen Schlangen‹, rief er dann und raufte er sich das Haar und knirschte mit den Zähnen, ›und ich werde als Junggeselle leben und sterben!‹
›Der Kleine‹, merkte der Begabte gewichtig an, ›wenn auch noch zart an Jahren, hat weise gesprochen. Man hat mich dazu gebracht, über die Frauen nachzudenken, und ich werde nicht das Abenteuer eingehen, mich auf die gefährlichen Gewässer des Ehestandes hinauszuwagen.‹
›Was!‹, rief da der alte Herr, ›meine Tochter nicht heiraten?Du willst das nicht, Mooney? Nicht einmal, wenn ich sie zwinge? Du willst nicht? Du willst nicht?‹
›Nein‹, antwortete Money, ›ich will nicht. Und wenn mich noch jemand fragt, dann laufe ich weg und komme niemals wieder.‹
›Mr. Grig‹, sagte da der alte Herr, ›den Sternen muss man gehorchen. Sie haben sich doch nicht anders entschlossen, nur wegen einer kleinen mädchenhaften Torheit – was, Mr. Grig?‹
Tom, meine Herren, war auf der Hut, und er war sich ziemlich sicher, dass all dies ein Vorwand und eine List der Zofe war, um ihn von seinen Absichten abzubringen. Er hatte gesehen, wie sie sich versteckt hatte und um die beiden Türen herumgesprungen war, und hatte beobachtet, dass ein geflüstertes Wort von ihr den Feuersalamander unverzüglich beruhigt hatte. Also, dachte sich Tom, ist dies ein Komplott – aber das geht mit mir nicht.
›Was, Mr. Grig?‹, fragte der alte Herr noch einmal.
›Nun, Sir‹, meinte Tom und deutete auf den Schmelztiegel, ›wenn die Suppe beinahe so weit ist …‹
›Eine weitere Stunde bringt die Erfüllung all unserer Bemühungen‹, erwiderte der alte Herr.
›Sehr gut‹, sagte Tom mit trauriger Miene. ›Es ist nur für zwei Monate, aber dann bin ich doch lieber der reichste Mann der Welt für diese kurze Zeit. Ich bin nicht wählerisch, ich nehme sie, Sir. Ich nehme sie.‹
Der alte Herr war entzückt, festzustellen, dass Tom bei seiner Meinung geblieben war, und während er die junge
Weitere Kostenlose Bücher