Der schwarze Thron - Reiter reiter3
erraten, in welche Richtung sie geritten waren. Amberhill stand verzweifelt da und wusste nicht, was er tun sollte, er haderte mit sich, weil er sie noch nicht eingeholt hatte und weil er so viel Zeit damit vergeudet hatte, sich zu verirren und Juwelen zu horten. Er betrachtete den Drachenring an seinem Finger; der Blutrubin glühte feurig im vollen Sonnenlicht, und er überlegte gerade, ob er ihn vom Finger ziehen und wegschleudern sollte, als Goss plötzlich den Kopf hob und schnaubte. Seine Ohren zuckten.
Gleich darauf hörte auch Amberhill, was Goss bereits wahrgenommen hatte: Hufschläge trommelten in schnellem Rhythmus auf die Straße. Eine Reiterin kam um eine Kurve,
tief über den Hals ihrer leichtfüßigen Stute gebeugt. Hinter ihr stieg der Staub auf wie das Rad eines Straußes.
Sie galoppierte ohne zu zögern quer über die Kreuzung nach Norden.
Lady Estora!
Goss wollte sich aufbäumen, und Amberhill kämpfte mit den Zügeln, um ihn festzuhalten. Aber bevor er Goss so weit beruhigt hatte, dass er aufsitzen konnte, hörte er noch mehr Hufschläge, viele, viele Hufschläge, die die Dame verfolgten. Einer, dann fünf, dann zehn, dann zwanzig Reiter insgesamt peitschten vorbei und gaben ihren Pferden die Sporen, alle hinter Lady Estora her.
»O nein«, stöhnte Amberhill. Lady Estora bewies durch ihren Fluchtversuch ungeheuren Mut und einen unbeugsamen Geist, egal, wie es ihr gelungen war – aber wenn sie von so vielen Reitern verfolgt wurde, bestand keine Hoffnung, dass ihr diese Flucht gelingen würde.
Nun hatte er keine andere Wahl mehr, als ihnen zu folgen.
Der Plan war einfach genug, dachte Karigan. Sie musste die Schurken ablenken, damit Estora und Fergal entkommen konnten. In Estoras Gewand und auf ihrer weißen Stute war sie gut verkleidet, die Täuschung war vollkommen, und es fiel ihr nicht schwer, die Halunken hinter sich her zu locken.
Von diesem Moment an hätte das Ganze einfach sein sollen. Sie musste schneller reiten als sie. Und um einen frühen Einbruch der Dunkelheit beten, damit sie ihre Fähigkeit benutzen und unsichtbar werden konnte. Sie würde zu der Reiterstation an der Grenze von Adolind reiten, sich dort verstecken und ausruhen, und dann in die Stadt Sacor reiten, um dort Bericht zu erstatten.
Leider hatte sie einen Fehler gemacht: Sie hatte nicht mit
Falans begrenzten Fähigkeiten gerechnet. Die Stute hatte weder die Schnelligkeit noch die Ausdauer Kondors, und außerdem war das arme Ding bereits auf der ganzen Reise nach Westen überanstrengt worden. Sie wurde schnell erschöpft.
Karigan hätte bis kurz vor dem Sonnenuntergang warten sollen, bevor sie ihren Plan umsetzte, aber die Halunken waren so nah an ihrem Versteck gewesen, dass sie ganz bestimmt gefangen worden wären, wenn sie noch länger gezögert hätte. Zumindest hatten Estora und Fergal auf diese Weise die Aussicht zu entkommen.
Hatte sie selbst auch eine Aussicht, dies zu überstehen? Sie warf einen Blick über die Schulter und sah die Reiter mehrere Pferdelängen hinter sich. Sie holten auf. Es sah nicht gut aus.
Falan stolperte, und Karigan wurde nach vorn geschleudert, aber der Sattelknauf hielt ihr Bein fest, und sie fiel nicht aus dem Sattel. Die Stute fand ihren Tritt weder, aber Karigan wusste, was dies bedeutete: Die Verfolger waren noch näher gekommen.
Sie jagte über die Kreuzung hinweg und trieb die Stute mit ihrem Willen zu noch größerer Geschwindigkeit an. Je weiter sie die Schurken wegführte, desto besser waren Estoras und Fergals Möglichkeiten zu fliehen.
Es war seltsam, aber vor nicht allzu langer Zeit hatte Karigan jedes Mal, wenn sie Estora in der Umgebung der Burg gesehen hatte, mit ihren verletzten Gefühlen gekämpft. Das war kurz nach der Bekanntmachung der Verlobung gewesen, und sie war froh über den Auftrag gewesen, weil sie auf diese Weise den albernen Hochzeitsvorbereitungen entfliehen konnte. Und nun war sie hier: verkleidet als Estora, Estora, die König Zacharias heiraten sollte, den Mann, in den sich Karigan verliebt hatte.
Als sie Estora an der Wegkreuzung gesehen hatte, waren
all ihr Groll und ihre Verbitterung verschwunden, und sie hatte nicht gezögert, ihr zu helfen. Wenn alles gut ging, würde ihr Plan es nun ermöglichen, dass Lady Estora zu König Zacharias zurückkehrte, so dass die beiden wie geplant heiraten konnten. Die Ironie, die darin lag, entging ihr nicht, aber sie kannte auch ihre Pflicht. Estoras Sicherheit war wesentlich wichtiger als ihre
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