Der schwarze Thron - Reiter reiter3
wieder über das Schlachtfeld, und sie verschwanden aus ihrem Blickfeld. Sie folgte dem Hengst, der in das zarte, wogende Zeug eindrang, doch dann lichtete es sich schnell, und nun waren alle Anzeichen der Schlacht ausgelöscht. Sie schüttelte den Kopf und ging weiter.
Karigan lief beinahe in die Hinterbacken des Hengstes, als er plötzlich stehen blieb. Sie spähte an ihm vorbei und bemerkte, dass sie zu einer weiteren Brücke gekommen waren, die sich in einem anmutigen Bogen erhob. Sie bestand aus demselben groben, behauenen Granit wie die anderen, aber die Brüstungen endeten in abgerundeten Schnörkeln. Sie kam nicht darüber hinweg, wie gewöhnlich und wirklich die Brücken waren und wie gut sie in den Park eines Landsitzes gepasst hätten.
»Werden wir diese überqueren?«, fragte sie.
Der Hengst warf den Kopf in den Nacken, seine Stirnlocke fiel über eins seiner Augen, und er betrat die Brücke. Sie ging hinter ihm her, und unterwegs konnte sie nicht ausmachen, dass sich an der weißen Welt irgendetwas veränderte, aber als sie in der Mitte der ausladenden Brücke angekommen waren, erschien das andere Ende vor ihnen dunkler, trüb, als bilde sich dort eine Sturmwolke. Unsicher sah sie den Hengst an. Er blähte die Nüstern und bewegte den Kopf auf und ab.
»Was …«, fing sie an, aber er stupste sie mit den Nüstern, und sie stolperte weiter. Die Botschaft war eindeutig: Er wollte, dass sie die Brücke überquerte und in die Finsternis ging. »Kommst du nicht mit?«
Der Hengst tat einen Schritt zurück und senkte den Kopf.
Karigan leckte sich die Lippen und ging zögernd vorwärts, auf die Wolke zu, die die Schnörkel am Ende der Balustraden einhüllte. Sie warf einen letzten Blick auf den Hengst – er stand schweigend und still wie ein Standbild und beobachtete sie.
Sie musste ihm vertrauen. Sie musste darauf vertrauen, dass er sie zu einem Ort geführt hatte, an dem sie etwas Nützliches tun konnte, und nicht in irgendeine andere fremde Welt. Bevor sie sich selbst dazu überreden konnte, die paar letzten Schritte nicht zu tun, eilte sie rasch den Rest des Weges in die dunkle Wolke hinein.
REITER IN SCHWARZ
Ein Windstoß von hinten trieb Karigan die letzten Schritte über die Brücke in die Dunkelheit. Sie stolperte und landete auf einem Haufen Abfall. »Igitt«, sagte sie und rappelte sich auf aus verfaultem Gemüse, Eierschalen und … Fischinnereien?
Aus den Schatten zischte sie ein Waschbär wütend an, weil sie sein Mahl gestört hatte. Sie stellte sich auf die Füße, bürstete Fischschuppen und andere eklige Sachen von ihren Kleidern und lachte. Sie lachte vor Freude über den Gestank, über das Dunkel der Nacht, über den Klang von Stimmen irgendwo in der Nähe, über den goldenen Schein von Kerzen und Lampen in Fenstern – ein Funkenregen von Eindrücken. Sie hatte die weiße Welt hinter sich gelassen und war in eine Welt voller Leben und Gerüche und Strukturen zurückgekehrt.
Sie zog Willis’ Umhang enger um sich, um die Kälte abzuwehren, und begriff, dass dies eine gewaltige Verbesserung gegenüber der weißen Welt war, dass sie aber nicht die geringste Ahnung hatte, wo sie sich befand. War sie überhaupt in Sacoridien? Im Augenblick stand sie in einem winzigen Innenhof hinter jemandes Haus oder Geschäft, in dem sich hauptsächlich Kisten und Fässer und Abfall befanden.
Ein Geschäft , folgerte sie.
Die Gelegenheit, ihren genauen Standpunkt herauszufinden, erschien in Gestalt einer pummeligen und entnervten
Frau, die einen Eimer aus der Hintertür des Gebäudes schleppte.
»Entschuldigt«, sagte Karigan.
Die Frau kreischte heiser, wobei Flüssigkeit über den Rand ihres Eimers schwappte. »Wer ist da?«, fragte sie scharf.
»Könntet Ihr mir bitte sagen, wo ich bin?«, fragte Karigan.
Offenbar hatte sie das Falsche gesagt.
»Verschwinde sofort aus meinem Hof, du nichtsnutzige Landstreicherin!«, schrie die Frau. »Ich lass euch nicht mehr in meinem Müll wühlen! Raus hier!«
Karigan bewegte sich offenbar nicht so schnell, wie die Frau es sich gewünscht hätte, denn sie wurde mit dem Inhalt des Eimers überschüttet. Sie flüchtete aus dem Hoftor auf die Straße, während die Frau hinter ihr her zeterte. Leider roch die Flüssigkeit, die sie nun durchweichte, nach gekochtem Kohl. Sie hasste Kohl.
Zumindest sprach die Frau Kommon, die allgemeine Sprache, tröstete Karigan sich, und das ohne Akzent, wie es in Mittelsacoridien und damit der Stadt Sacor und ihrer
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