Der schwarze Thron - Reiter reiter3
Spionin willkommen heißen würde. Falls sie andere Pläne für ihre Fähigkeiten hatten, erfuhr niemand etwas davon, doch sie vertauschte das Scharlachrot von Mirwell gegen das Reitergrün und nahm
das Einführungstraining mit Schwertmeister Drent wieder auf.
Kurz darauf kamen die restlichen Waffen mit ihren Gefangenen an, darunter auch Immerez, dessen verbliebene Hand noch immer fünf Finger besaß. Allerdings wusste niemand, wie lange er diese Hand behalten würde, wenn der König mit ihm fertig war. Einige Waffen waren nach Mirwellton gegangen, um Oberst Birch gefangen zu nehmen, aber dieser war rechtzeitig vor ihnen geflohen. Offenbar hatte er geahnt, dass Lady Estoras Entführung gescheitert war und dass Großmutter die Hügel von Teligmar verlassen hatte – oder er war darüber informiert worden.
Lord Mirwell hatte keine Ahnung, wohin Birch verschwunden war, aber er sagte, er sei froh, nichts mehr mit ihm zu tun zu haben. König Zacharias wollte Lord Mirwells Verbindungen zum Zweiten Reich genauer unter die Lupe nehmen, aber wie es schien, war der junge Lordstatthalter unwissentlich in all die Intrigen hineingezogen worden.
Die Einzigen, die noch ausblieben, waren Fergal, Lady Estora und die Waffen, die sich auf die Suche nach ihnen begeben hatten. Karigan machte sich jeden Tag Sorgen, dass es falsch von ihr gewesen war, die beiden allein auf den Weg zu schicken, auch wenn Hauptmann Mebstone und ihre Freunde ihr versicherten, dass es eine weise und mutige Entscheidung gewesen sei. Aber jedes Mal, wenn sie Lord Coutre begegnete, der stark abgenommen hatte und dessen Gesicht von tiefen Sorgenfalten gezeichnet war, haderte sie mit sich und fragte sich, ob sie nicht eine bessere Lösung hätte finden können.
Und, ach, wie sehr vermisste sie ihren Kondor.
Eines Tages, als Schneeregen aus dicken Wolken gegen die Burgmauern peitschte, betrachtete Karigan sich kritisch im
Spiegel, um festzustellen, wie es um ihr Haar bestellt war. Es wuchs zwar nach, aber in Form einer Tolle. Und nicht nur das – das neue Haar war ganz fein und hell, wie das Haar eines Neugeborenen. Sie hatte sich angewöhnt, den Scheitel auf der anderen Seite zu ziehen und eine Schicht Haar über die komische Stelle zu kämmen, um sie zu verbergen. All ihre anderen Verletzungen heilten gut und verschwanden allmählich, aber über ihren Unterarm lief eine eindrucksvolle Narbe. Da diese jedoch meist bedeckt war, machte ihr das nicht viel aus.
Plötzlich flog ihre Tür auf, und Yates spazierte ohne anzuklopfen in ihre Kammer.
»Yates!«, rief sie und fuhr herum. »Ich hätte dabei sein können, mich umzuziehen oder so etwas!«
»Warst du aber nicht«, antwortete er mit einem bedauernden Gesicht. »Sondern du hast deinen Kopf bewundert.«
Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Wenn du jemals wieder ohne anzuklopfen hier hereinplatzt, dann kannst du hinterher deinen Kopf ebenfalls ›bewundern‹.«
Er verbeugte sich. »Ich entschuldige mich demütigst. Aber ich dachte, du würdest die Neuigkeiten hören wollen.«
»Neuigkeiten? Was für Neuigkeiten?«
Yates stand nur da, ein selbstzufriedenes Grinsen auf dem Gesicht, und schwieg.
» Erzähl sie mir «, befahl Karigan, »oder ich schüttele sie aus dir heraus.« Sie griff nach ihm, aber er sprang zurück, knapp außerhalb ihrer Reichweite.
»Ich weiß, dass du durchaus in der Lage wärst, mich an den Fußknöcheln aus dem Fenster zu hängen, falls du Lust dazu hättest«, sagte er, »aber ich werde es dir nicht sagen. Ich sage nur, dass Hauptmann Mebstone möchte, dass du sie in den Thronsaal begleitest.« Er bot ihr den Arm.
»Schurke«, sagte sie.
»Die Dame ist allzu streng«, sagte er und tat so, als sei er tief verletzt. »Dennoch bin ich bereit, um ihretwillen die schlimmsten sprachlichen Peitschenhiebe zu ertragen.«
Karigan stöhnte und verdrehte die Augen.
»Je eher wir gehen«, ergänzte Yates, »desto eher wirst du erfahren, was es Neues gibt.«
Sie hätte ihm am liebsten einen Klaps versetzt, aber er hatte recht, also packte sie seinen Arm und zerrte ihn quasi den Flur entlang – nicht ganz dasselbe wie damals, als er sie an einem märchenhaften Herbsttag geleitet hatte und sie ein blaues Kleid getragen und sich wie eine Prinzessin gefühlt hatte. Sie erinnerte sich noch daran, wie dieser Tag geendet hatte: Es war kein üblicher Märchenschluss gewesen. Vielmehr hatte sie ihren Schuh nach der Rabenmaske geworfen.
Sowohl Tegan als auch Mara hatten erwähnt, wie
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