Der schwarze Thron - Reiter reiter3
Bruder beabsichtigte, Euren Thron zu stehlen.«
»Ja«, sagte er leise, »ich erinnere mich.«
»Erinnert Ihr Euch auch an ihn ?«, fragte Lady Estora.
»Ja«, antwortete Zacharias, »aber ich kannte ihn nicht sehr gut. Es ist unmöglich für mich, alle Leute gut zu kennen, die mir dienen.«
Lady Estora verließ das Fenster und stellte sich wieder vor ihn. Ihr Rücken war gerade, und ihr Blick wankte nicht. »Dann möchte ich Euch von F’ryan Coblebay erzählen.«
Zacharias schwieg und Laren konnte nicht feststellen, ob er verwirrt, verärgert oder nur höflich war. Auf jeden Fall begann Lady Estora ihre Geschichte und erzählte, wie sie F’ryan zufällig in den Gärten begegnet war und wie diese erste Begegnung zu weiteren, absichtsvollen Treffen geführt hatte.
»F’ryan bot mir Freundschaft und Kameradschaft«, erklärte Lady Estora, »als ich diese Dinge sonst nirgendwo fand. Er brachte mich zum Lachen, er nahm mich zu Ausritten aufs Land mit und ging mit mir in den Gärten spazieren. Dank ihm erlaubten die Reiter es mir, in ihre Welt einzutreten. Wir spielten Karten und sangen im Gemeinschaftsraum der alten Baracken Lieder.« Sie lächelte schwach bei der Erinnerung. »Meine Amme war wirklich schon sehr alt, deshalb war es nicht schwierig, mich davonzustehlen.«
Zacharias gab keinen Kommentar ab und stellte auch keine Fragen. Er hörte einfach zu.
»F’ryan war ein wunderbarer Mann«, fuhr Lady Estora fort. »Er sah immer das Gute in allen Menschen. Er konnte ernst sein, wenn die Situation das erforderte, aber er war auch ein gewaltiger Spaßmacher. Die Geschichten, die er erzählte, brachten mich zum Erröten! Und ich lachte Tränen darüber. Er war draufgängerisch und mutig, aber er war auch der Erste, der ein krankes Scheunenkätzchen wieder gesund pflegte.«
Laren stellte fest, dass sie in ihre eigenen Erinnerungen an F’ryan versunken war. Er war ein verdammt guter Reiter gewesen
und hatte Botschaften in Rekordzeit überbracht, er hatte die Adligen mit seiner gewinnenden Art bezaubert und die schwierigsten Aufgaben mit scheinbarer Leichtigkeit übernommen, und er war immer wieder aus vermeintlich unmöglichen Situationen entkommen, ohne sich sichtlich anzustrengen. Er war groß gewachsen, stark und intelligent, und überdies ein Schwertmeister in spe – er schien den Göttern und dem Tod zu trotzen. Bis auf die Pfeile.
Bis auf die Pfeile …
Sie konnte – und wollte – den Anblick seines von Pfeilen durchbohrten Körpers auf dem Beerdigungskarren nicht vergessen. Ihr Reiter, der lebendige, atmende Mann, der sie beim Spiel geschlagen und immer ein aufmunterndes Wort für sie gehabt hatte und der sein Land und seine Reiterkameraden leidenschaftlich geliebt hatte. Er war so stark, so lebendig gewesen. Wie hatte er nur zu diesem Leichnam werden können, zu diesem Kadaver aus verwesendem Fleisch, der auf dem schmutzigen Karren gelegen hatte? Wie?
Und dann dachte sie an alle anderen Reiter, die unter ihrem Kommando ihr Leben verloren hatten. Wie war es nur möglich, dass diese Lebendigkeit einfach ausgeblasen wurde wie eine Kerze?
»Ohne Euren Reiter F’ryan Coblebay«, sagte Estora zu Zacharias, »hätte ich die ersten Monate an Eurem Hof nicht überlebt. Und wie Ihr leicht erraten könnt, verliebten wir uns im Laufe der Zeit ineinander.«
Zunächst reagierte Zacharias nicht, doch dann nickte er langsam, als hätte er dies die ganze Zeit über erwartet. »Es tut mir leid, dass ich ihn nicht besser kannte. Ich kann selbstverständlich gut verstehen, wie es kam, dass Ihr Euch in einen … in diesen Reiter verliebt habt, und es tut mir leid, dass sein Verlust Euch solchen Kummer bereitet hat.«
»Ja«, murmelte Lady Estora, »ich trauere immer noch um ihn. Ich wusste, dass seine Arbeit als Bote des Königs gefährlich war, aber ich dachte, er sei … Ich dachte, er sei unverwundbar. Und doch muss ich es irgendwo tief im Inneren gewusst haben. Ich muss gewusst haben, dass Westrion in seiner Nähe schwebte.« Sie machte eine Pause.
Laren wartete. Zacharias wartete.
Lady Estora hob ihr Kinn und sah Zacharias offen an. »Ich muss gespürt haben, dass der Tod auf ihn wartete. Vor seinem letzten Auftrag gab ich mich ihm ganz, und zwar mehr als einmal. Und ich bedauere dies nicht, auch wenn es meine Ehre noch so sehr befleckt.«
Die drei standen so still da wie Statuen. Der Wind schleuderte wirbelnden Schnee gegen die Fenster. Die Kälte des Raumes stieg vom Boden her auf, machte Larens Zehen
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