Der schwarze Thron - Reiter reiter3
Jemand hinter ihr schrie auf. Sie verzog das Gesicht, weil sie befürchtete, was sie sehen würde, und drehte sich langsam um. Das Messer steckte im Boden zwischen den Füßen eines Läufers vom Grünen Fuß.
»O je«, sagte Karigan. Sie warf einen Blick zu Drent, an dessen Hals die Adern hervortraten.
»O je?«, wiederholte er leise. Zu leise.
Karigan zuckte in Erwartung des Sturms, der auf sie eindreschen würde, zurück, aber nichts geschah. Drent strich sich lediglich mit der Hand über das borstige Haar, und seine Nase zuckte. »Du bist hoffnungslos«, sagte er erschüttert.
»Vollkommen hoffnungslos.« Und dann ging er kopfschüttelnd davon und murmelte dabei vor sich hin.
Karigan blinzelte überrascht und wandte die Aufmerksamkeit dem Mädchen zu, das sich nicht gerührt hatte, als wäre es immer noch erschüttert, dem Tod so knapp entkommen zu sein.
»Tut mir leid«, sagte Karigan. »Ich, äh, ich wollte nicht …« Sie zeigte auf das Messer.
»Ähm …« Das Mädchen hatte die Augen weit aufgerissen und schüttelte den Kopf. Einige Zeit verging, bis sie sich auf Karigan konzentrieren und sprechen konnte. »Äh, der Hauptmann möchte, dass Ihr Euch ihr und dem König in seinem Arbeitszimmer anschließt.«
Bei diesen Worten kribbelte Kälte an Karigans Nerven entlang. »Danke«, brachte sie hervor.
Die Läuferin nickte und trabte davon. Karigan zog das Messer aus dem Boden und steckte es in die Stiefelscheide, und sie fragte sich, wieso sie wohl zum König gerufen wurde. Sie hatte ihn so gut wie möglich gemieden, denn eine Begegnung mit ihm wühlte immer Schmerz und Sehnsucht in ihr auf, aber sie wusste, dass sie ihm nicht dauerhaft aus dem Weg gehen konnte, wenn sie weiter ihre Pflichten erfüllen wollte. Und jetzt hatte er sie zu sich befohlen.
Sie warf Drent einen Blick hinterher. Er war damit beschäftigt, zwei Schwertkämpfer über das Übungsfeld hinweg anzubrüllen. Sie setzte den schweren Rucksack ab und informierte einen seiner Assistenten, dass sie aufbrechen müsse. Dann eilte sie zur Burg und schaute nur kurz in ihr Zimmer im Reiterflügel, um ihr Arbeitshemd loszuwerden, ein frisches Hemd und eine Jacke anzuziehen und sich das Gesicht zu waschen. Es gehörte sich einfach nicht, dem König von Staub und Schweiß bedeckt gegenüberzutreten.
Als sie am Arbeitszimmer des Königs eintraf, ließ die Waffe an der Tür sie ein.
»Danke, Travis«, murmelte sie.
Er nickte zur Antwort, mehr Reaktion, als die meisten von den strengen Leibwächtern des Königs zeigen würden.
Licht fiel durch die vielen Fenster des Arbeitszimmers herein, denn es grenzte an den Garten im Innenhof. Der Raum war einmal der Sonnenraum einer Königin gewesen, und Karigan fragte sich, ob er nach der Heirat des Königs wohl wieder seinem ursprünglichen Zweck dienen und die Domäne von Estora sein würde. Sie holte tief Luft, um sich gegen die bitteren Gedanken zu schützen, die diese Vorstellung heraufbeschwor.
Der König saß an seinem Schreibtisch, dessen weiße Marmorplatte in der Sonne leuchtete und die Helligkeit auf sein Gesicht zurückwarf, was ihn ätherisch aussehen ließ, ein Geschöpf des Lichts, während alles andere um ihn herum im Schatten lag. Sein Haar und der Bart leuchteten in goldenen und kupferfarbenen Strähnen statt in ihrem üblichen, gedämpfteren Bernsteinton, und das bildete einen Kontrast zu seinen samtigen braunen Augen.
Er hatte die Hände vor sich verschränkt, und das Licht zeigte in deutlichem Relief, wie stark sie waren, als es Muskeln und Sehnen umriss, die Finger nur von schlichten Goldringen geschmückt. Hände, die ein Schwert schwingen konnten, Hände, die das Zepter und die Macht hielten. Wie sehr sie sich doch wünschte, dass diese Hände des Lichts sich lösten und sie zärtlich streichelten. Karigan schauderte.
Sein Gesicht erzählte jedoch eine andere Geschichte. Als König hatte er sich beigebracht, seine Gedanken und Gefühle vor anderen zu verbergen, was ihm einen Vorteil verschaffte, wenn er nicht wollte, dass seine Feinde, Politiker und Bittsteller
erfuhren, was er dachte. Nun hatte er diese Maske aufgesetzt, und es verblüffte Karigan, dass er sie in ihrer Gegenwart benutzte. Aber sie nahm an, dass es für alle Beteiligten das Beste war und ihm ermöglichte, Abstand zu halten. Auch sie würde eine Maske tragen, die eines pflichtbewussten Grünen Reiters.
Sie verbeugte sich vor dem König. »Ihr habt mich gerufen, Sire?«
»Das haben wir.«
Sie wusste, dass er
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