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Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Titel: Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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Caitlín sich wie früher in der Nähe des Vaters: geliebt und beschützt.
    »Also, was sagtet Ihr noch?«, er wiegte den Kopf. »Der Herse hasst Euch? Nun, er hasste auch mich, vielleicht tut er’s sogar noch immer. Aber zugleich mag er mich, weil er meine Gesänge und Gedichte schätzt. Er poltert gern herum, aber das sollte Euch nicht schrecken. Er wird auch Euch mögen, weil allein Euer Anblick schon das Herz erfreut. Wie ging Eure Tirade weiter? Richtig, Herrin Álfdis. Ich gebe zu, sie ist … beängstigend. Aber auch sie schätzt manche von uns. Beispielsweise Edana.«
    »Ach ja?« Caitlín verschränkte die Arme und zog die Nase hoch. »Ich glaube nicht, dass ich wie Edana gemocht werden will. Denn das bedeutet wohl, dass ich einen Ochsenziemer in die Hand gedrückt bekäme und ständig aufgefordert werden würde, einer säumigen Sklavin eins aufs Hinterteil zu geben. Nein, danke.«
    Patrick entblößte schief gewachsene Zähne zu einem verschmitzten Grinsen. »Ihr werdet auch sie mit Eurem Liebreiz überzeugen. Wenn man Euch ansieht, kommen einem die schönsten Weisen in den Sinn.«
    »Was bist du eigentlich? Doch wohl kaum ein umherziehender Barde.«
    »Ein Barde, ja, aber leider nicht frei und umherziehend. Ich geriet wohl auf ähnlichem Weg hierher wie Ihr. Mit einem kleinen Umweg über Yddal …«
    »Wo liegt das?«, fragte sie mit ihrer unschuldigsten Stimme.
    »Einen Tagesritt westlich von hier. Die Männer, die mich raubten, verkauften mich auf dem Sklavenmarkt an den Hersen. Vor fast drei Jahren«, er breitete die Arme aus, »stand ich ebenso hier wie Ihr und überlegte, mir ein Pferd zu schnappen und zu verschwinden.«
    »Und hast du es getan?«
    »Ich habe es versucht, wurde aber schnell wieder eingefangen. Habt Ihr die beiden Pfähle draußen auf dem Platz gesehen?«
    Zwei dunkle Pfosten erhoben sich in dessen Mitte. Caitlín hatte sie bereits bemerkt, jedoch angenommen, dass man gemeinhin dort Häute oder Stoffe spannte, um sie zu trocknen und zu lüften.
    »Der Herse befahl, mich dort für die Flucht zu züchtigen. Seine Söhne sollten die Arbeit untereinander aufteilen, und da sie sich wie so oft vorher gestritten hatten, waren ihre Hiebe mit dem Ziemer recht heftig.«
    »Das klingt ja fürchterlich!«
    »Der Gedanke, Ihr müsstet eine Tortur wie diese ebenfalls durchleben, lässt meinen Rücken jetzt noch schmerzen. Flucht führt nur in den Tod. Oder an einem anderen Ort wieder in die Sklaverei, und dann hat man noch Glück gehabt. Seid nicht töricht, und lasst es! Ich habe mich gefreut, eine Irin hier zu treffen, und würde es bedauern, sie wieder zu verlieren. Bitte, ich werde Euch ins Haus zurückbringen, ja?«
    Trotz seiner Falten, die sein Gesicht alt und verhärmt wirken ließen, wirkte er jetzt wie ein bettelndes Kind. Caitlín seufzte. Ins Haus zurück? In Thorirs Kammer?
    Niemals.
    »Ich – ich werde zurückgehen«, murmelte sie. »Aber bitte, lass mich noch ein Weilchen hier allein.«
    Langsam nickte er. »Gut. Dann bin ich froh. Herrin Caitlín?« Er verneigte sich, wieder ganz der weltgewandte Barde. »Kommt Ihr das nächste Mal in die große Halle, so spiele ich ein Lied allein für Euch. Achtet darauf.«
    »Das werde ich.«
    Er schlang den Umhang fest um sich und schlich in die Nacht hinaus. Caitlín wartete, bis sie sicher war, dass er längst wieder auf seinem Lager schlief, dann führte sie den Lichtfuchs durch die schmale Seitentür ins Freie. Am liebsten wäre sie schon im Stall unter Zuhilfenahme des Holzklotzes aufgesessen, doch reitend wäre sie niemals durch die kleine Tür gekommen. Also mühte sie sich jetzt, mit den zu großen Stiefeln in die Steigbügel zu kommen. Mehrmals rutschte sie ab, und die Stute wurde unruhig. Ein unziemlicher Fluch rutschte ihr über die Lippen. Dann war es geschafft. Sie langte nach den Zügeln und gab dem Tier sanft die Fersen.
    Es gehorchte und schritt gemächlich los. Zu Caitlíns Freude hielt es auf das Tor der Umfassungsmauer zu. Wie einfach sich doch alles gestaltete! Gott schien auf ihrer Seite zu sein!
    Dann ereilte sie die Erkenntnis, dass ihre Flucht enden musste, kaum dass sie begonnen hatte. So entsetzt war sie, dass ihr unter der schweren Kleidung heiß wurde. Sie hatte vergessen, dass das Tor des Nachts geschlossen war und bewacht wurde. Was um alles in der Welt sollte sie jetzt tun? Sich gebärden, als sei sie ein Mann, und mit dunkler Stimme das Öffnen des Tores fordern? Das würde niemals gelingen. Die Sache abbrechen,

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