Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
schnell eingelenkt hat. Und dann wollte sie auch noch wissen, wo Yddal liegt. Wer sich als Mann verkleidet in ein solches Abenteuer stürzen will, muss schon den Mut eines Löwen besitzen!«
Njal rieb sich das Gesicht. »Würde es helfen, dir mit einem Wurf in den Brunnen zu drohen, damit du in verständlichen Sätzen sprichst?«
Patrick klapperte mit den Zähnen, ob aus Angst oder Kälte, vermochte Njal nicht zu sagen. »Ach, Herr, ich hab’s nicht über mich gebracht, sie vor Thorirs Kammer abzuliefern. Ich hätte mich zu Tode geschämt, aber jetzt denke ich, es wäre besser gewesen.«
Mit zwei langen Schritten war Njal bei ihm und packte ihn am Ausschnitt seines Hemdes. »Willst du dort unten landen? Du wärst nicht der erste Sklave, der es einen ganzen Tag im Brunnen aushalten musste, und das im Winter.«
»Ich weiß, Herr«, erwiderte Patrick. Njals Faust drückte gegen seine Kehle, sodass er nur noch krächzen konnte. »Bitte … versprecht mir … dass Ihr Caitlín … nicht zürnt.«
»Weshalb sollte ich das?« Njal lockerte seinen Griff.
»Sie ist geflohen. Herrin Álfdis’ Pferd ist nicht mehr …«
Njal stieß ihn beiseite und rannte in Richtung des Stalls. »Zwanzig Hiebe für dich, wenn ich sie nicht finde oder ihr etwas passiert ist!«, rief er dem Skalden über die Schulter zurück zu. »Ist dir das klar?«
»Aber ich kann doch nichts dafür, Herr!«
»Du hättest sie aufhalten sollen!«, schrie Njal im Laufen.
Er hatte seinen schwarzen Hengst Njördr über den Dorfplatz gejagt und im Vorbeireiten einem Schmied, der auf dem Weg zu seiner Hütte war, den rußfleckigen Umhang von den Schultern gerissen. Er hatte es zu eilig gehabt, sein Schwert zu holen, doch am Gürtel trug er immerhin wie gewohnt eine kurze Klinge, die als Bewaffnung genügen musste. Bei Odins Bart, er würde Caitlín einholen!
Zumindest hoffte er es.
Ganz sicher war er sich nicht. Gewiss war sie einfach der Straße gefolgt, die nach Yddal führte. Vielleicht wusste sie, dass es dort eine größere Schiffslände gab. Doch falls nicht, würde sie sich irgendwo erkundigen müssen. Aber wo? Und was hatte sie bei sich? Münzen, Silber, Proviant? Während er sein Pferd durch die von einer matten Morgensonne beleuchtete karge Landschaft trieb, versuchte er sich in den Kopf dieser Frau hineinzuversetzen. Aber wie sollte ihm das gelingen! Wäre er in ihrer Lage, würde er sich seinen Weg nach Art eines Kriegers erfragen und hätte schneller als gedacht ein Schiff gefunden, das ihn aufnahm. Aber eine Frau? Ein verlockendes Mädchen, das den Geifer aus dem Mund eines jeden Mannes tropfen ließ?
Nicht eine Stunde würde Caitlín in Yddal unbehelligt bleiben.
Mit einem wilden Schrei trieb er Njördr zu noch schnellerem Galopp an. Die Mattigkeit, die ihn gestern vor den Augen des Vaters und der Versammelten auf den Boden gezwungen hatte, war nur noch Erinnerung. Was war nur in Caitlín gefahren? Was hatte man ihr angetan, dass sie so überstürzt floh?
Oder flieht sie vor mir?
Ihm war nicht klar, warum sie das tun sollte, doch der Gedanke fühlte sich auf eine beschämende Art und Weise wahr an.
Die Straße war nur ein festgetretener Weg, den man von Steinen und Pflanzenwuchs befreit hatte. Schnee lag noch immer in den Schatten der gezackten Felsen, doch heute würde ein für die Jahreszeit warmer Tag werden, und Njal ritt immer häufiger durch geschmolzenen Schnee, der bis zu seinen Knien hinaufspritzte. Einem rauen Gemüt wie dem seinem tat die karge Fjordlandschaft gut. Frauen dachten in dieser Hinsicht anders. Sie mochten es warm und sonnig und liebten den Sommer. Der norwegische Winter war nichts für Caitlín; sicherlich hatte sie erbärmlich gefroren und die erstbeste Gelegenheit genutzt, sich an einem Feuer zu wärmen.
Das Farbauti kam in Sicht. Das Gasthaus war nach dem Vater des Gottes Loki benannt, einem gefährlichen Riesen, der jeden niederschlug, der ihm dumm kam – ein wahrhaft passender Name, gab es dort doch jeden Abend aus nichtigem Anlass eine Schlägerei. Aber das wusste Caitlín nicht.
An der niedrigen Eiche vor dem Haus waren drei Pferde angebunden. Der Lichtfuchs seiner Mutter war nicht darunter, aber das hatte nichts zu bedeuten, denn hinter dem Haus gab es noch einen weiteren Verschlag für Pferde, Schafe, Ziegen und was man sonst noch auf seinem Weg mit sich führte. Fenster besaß das Haus keine, aber der Lärm der Zecher drang durch schlecht abgedichtete Ritzen und einen verrußten Kamin. Njal
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