Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
Jedenfalls noch nicht , dachte sie.
»Und was tust du dann hier?«
Sie atmete tief ein und aus. Es musste ja ausgesprochen werden. »Ich … ich hätte deinem Vater sagen sollen, dass du die Wahrheit gesprochen hast. Dass Thorir dich zu töten versuchte«, fügte sie hinzu, als er eine Braue hob.
Er schaute in die Ferne. »Mach dir keine Vorwürfe. Die Nornen haben ihre Fäden gesponnen.«
Einen Freispruch von ihrer Schuld hatte sie sich anders vorgestellt. Nun gut. »Und was tust du hier?«, fragte sie.
Er warf ein Stück Holz in die Luft. Es drehte sich und fiel zurück auf den Haufen. »Thorir verlangt von mir, dass ich ihm ein Schiff baue.«
Ein Schiff? Sie entsann sich Thorirs Prahlerei, als er betrunken auf seinem Bett gelegen hatte. Ich baue mir ein Schiff, so gewaltig wie das von Olaf Tryggvasson … Nur dass er nicht beabsichtigt hatte, es mit den eigenen Händen zu tun. Natürlich nicht.
»Wie das Flaggschiff des Königs soll es werden«, begann Njal das Vorhaben zu beschreiben. »Noch größer sogar. Dabei ist die Lange Schlange schon untauglich – ein solch gewaltiges Schiff ist zu schwerfällig zu manövrieren, und in einen Sturm darf man mit ihm schon gar nicht geraten. Es misst fünfzig Schritte und hat vierzig Rudersitze auf jeder Seite. Zudem noch ein Kastell, wie ich hörte. So etwas liegt ziemlich schwer im Wasser.«
»Und kann man damit nach Konstantinopel segeln? Das will Thorir, wenn er Herse ist, nämlich tun.«
Hart lachte Njal auf. »Von mir aus soll er auf große Fahrt gehen. Im Sommer oder wenn man reichlich Zeit hat, ist das wohl möglich. Des Königs Schiff ist vergoldet, vielleicht nimmt er sich daran ein Beispiel. Reichlich Gold hat er ja. Etwas von diesem Holz«, er wies auf die Haufen, »hat er in Kaupang gekauft, einiges in den umliegenden Wäldern schlagen lassen. Je nachdem, wie viele Männer er mir zuteilt, wird er in ein oder zwei Monaten nach Konstantinopel aufbrechen können. Vielleicht habe ich ja Glück, und er geht unter.«
Trotz der Tatsache, Sklavenarbeit für den verhassten Bruder verrichten zu müssen, lag ein eigentümliches Funkeln in seinen Augen, während er das Material für das Schiff musterte. Er deutete auf den gewaltigen, geraden Stamm einer Tanne.
»Das da wird der Mast. Und die dort«, er wies auf einen Haufen aus krummen Hölzern, »das werden die Spanten – das Gerüst des Rumpfes. Die Maserung bestimmt, wo sie eingesetzt werden. Und aus den Eichenstämmen dort werde ich die Bretter für die Beplankung zuschneiden lassen.«
»Du … du bist Schiffsbauer?«
»Ja.« Er wandte sich ihr zu. Sein Blick besagte, dass er es ebenso eigentümlich fand wie sie, erst jetzt darüber zu sprechen, was er tat und wer er war.
Er hockte sich auf die umgelegte Tanne und sah auf die Bucht hinaus, während er in seinen Fingern einen Ast hin und her drehte. Caitlín hatte den Eindruck, dass er sich erhoffte, sie ließe sich neben ihm nieder. Wenn sie sich doch nur überwinden könnte! War sie ihm denn nachgelaufen, nur um dann die letzten Schritte nicht zu schaffen?
Wie einer, der tags zuvor einen so schwerwiegenden Kampf verloren hatte, wirkte er jetzt nicht. »Was stimmt dich so heiter?«, wagte sie zu fragen.
Er lächelte. »Ich habe viele Gründe. Weil die Landschaft so schön ist. Weil es mich trotz allem freut, ein Schiff zu bauen. Weil dies hier«, er berührte den Sklavenreif, »so unwirklich ist, dass ich es noch nicht ganz glauben kann. Und weil du hier bist.« Seine Worte ließen sie staunen.
»Du könntest einfach fliehen«, sagte sie. »Einfacher als ich.«
»Das ist wahr, es würde wohl gelingen. Ich könnte dich sogar mitnehmen. Aber was soll dann mit Sif geschehen? Soll ich sie etwa Thorir überlassen? Ihm den endgültigen Sieg schenken?« Er schüttelte entschieden den Kopf.
Missmutig verschränkte sie die Arme. Hatte er unbedingt die schöne Sif erwähnen müssen?
»Du liebst sie«, platzte sie heraus. »Und sie dich. Weshalb solltest du da mich auf deiner Flucht mitnehmen? Mit ihr müsstest du fortlaufen!«
Stirnrunzelnd drehte er den Kopf nach ihr. » Meyja , Caitlín, ich liebe …«
»Ich weiß, dass du sie liebst, du hast es ja gesagt!«
»Habe ich das?« Er schien verwirrt.
»Du wirst sie zur Frau nehmen!« Es tat so gut, der Empörung freien Lauf zu lassen, die ihr schon so lange den Atem abschnürte. Am liebsten hätte sie ihre Gefühle so laut herausgeschrien, dass es selbst die Männer bei der Knorr hören konnten. Die hatten
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