Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
Njal den Leuten den Rücken zugewendet hat? Er wollte, dass sie seine Wunden sehen. Mit allem, was er sagte, wollte er ihnen begreiflich machen, dass er in Wahrheit ein freier und stolzer Mensch ist und all das, was ihm widerfahren ist, unredlich war.«
»Meinst du denn wirklich, er könnte die Leute auf seine Seite ziehen? Sie haben ihn nie wirklich gemocht.«
»Das nicht, da habt Ihr recht … Doch ich habe die jungen Männer gesehen, mit denen er neulich geübt hat.« Er schmunzelte. »Sie machten äußerst beeindruckte Gesichter.«
»Meinst du? Ich fürchte, ich muss mich für einen Moment hinlegen.«
»Tut das.« Patrick grinste über das ganze faltige Gesicht.
Sie eilte in Richtung des Langhauses und stockte, als sie Álfdis am Eingang stehen sah. Die Miene der Hausherrin war wie üblich unbewegt, und doch glaubte Caitlín herauszulesen, dass sie die Szene von Anfang bis Ende beobachtet hatte.
»Wie hast du ihm geholfen?«, verlangte sie zu wissen.
Caitlín räusperte sich. Ihr war nicht danach, nach Ausflüchten zu suchen. »Ich habe ihm Heiltränke gemischt und eine Heilsalbe aufgetragen.«
»Nach Anweisung der Nonne, so nehme ich an?«
Zögernd nickte Caitlín.
Die Zeit, bis Álfdis sie entließ, schien kaum enden zu wollen. Aber sich einfach an ihr vorbeizudrängen wäre ungehörig gewesen.
»Ich danke dir«, sagte Álfdis schließlich gepresst und machte eine kaum sichtbare Handbewegung, die ihr erlaubte, ins Innere zu treten. Caitlín lief in die Halle und flüchtete auf ihr Schlafpodest, wo sie sich ihren Schlafpelz um ihren zusammengekauerten Körper zog. Ihr war ein wenig übel.
Wofür um alles in der Welt hatte Álfdis sich bei ihr bedankt?
Es gab nur eine Erklärung: Eirik hatte letztendlich doch verstanden, was Caitlín ihm hatte sagen wollen – dass Thorir ihn vergiften wollte –, und es seiner Frau gesagt.
Gut so , dachte sie voller Genugtuung. Ich weiß nicht, ob du es schaffst, Álfdis, dich für deinen Sohn zu schämen. Aber versuch es wenigstens .
»Macht es dir nichts mehr aus, auf dem Rücken zu liegen?«, fragte Caitlín. Njal hatte sich neben ihr im Stroh ausgestreckt. Seite an Seite blickten sie zur Stalldecke hinauf. Strohfäden und Spinnweben hingen überall herunter, und auf einem Querbalken hockte eine schwarze Katze, die sie beide nicht aus den Augen ließ.
»Ich würde jetzt ungern die Hände im Nacken verschränken, aber ansonsten ist es zu ertragen. Immerhin sind schon fünf Wochen vergangen – in dieser Zeit heilen Wunden, oder man stirbt an ihnen. Und ich war schon immer entschlossen, nicht zu sterben.«
Bei jedem anderen Mann hätte sie solche Worte als hochtrabend empfunden. Erst recht, wenn man gleichzeitig genüsslich an einem Strohhalm kaute und das Bein hob, um sich an der Wade zu kratzen. Bei ihm wirkte es alles andere als seltsam.
»Wie geht die Arbeit am Schiff voran?«
»Der Rumpf steht. Ich bin gestern damit fertig geworden, Fäden in die Spanten zu drücken, und nachher werde ich anfangen sie mit Pech abzudichten. Das wird allerdings länger dauern, denn die Arbeiter sind mir nicht sorgfältig genug. Ich werde es eigenhändig tun müssen. Es wird ein prächtiges, schönes, aber viel zu großes Schiff.«
»Sag, hast du dich vielleicht ein wenig in das Schiff verliebt?«
Er brummte nachdenklich, während er den Halm vor seiner Nase tanzen ließ. »Nein, ich glaube nicht. Aber wäre es das des Königs … dann vielleicht. Thorir jedenfalls soll damit im nächsten Sturm untergehen.«
»Was dich jedoch nicht daran hindert, so gut wie möglich zu arbeiten«, stichelte sie.
»Ich kann nicht anders. Aber du hast recht, es ärgert mich selbst ein bisschen.«
Sie rollte sich auf die Seite und strich begütigend über seine Wange. Auffordernd drehte er den Kopf. Sie küsste ihn und ließ sich küssen. Ihre Fingerkuppen wanderten über seinen Hals, zeichneten die Schlüsselbeine nach, berührten seine Brustwarzen. Wohlig knurrte er.
Sein schwarzer Hengst stampfte mit einem Huf auf. Njal tastete neben sich im Stroh herum und förderte einen verschrumpelten Apfel zutage. Njördr, der, so hatte er Caitlín erzählt, nach dem Gott des Meeres und der Seewinde benannt war, kam näher, reckte den Hals und nahm das Geschenk behutsam an. Zufrieden mit den Zähnen mahlend, wandte sich das große Tier wieder ab.
Es gehörte Njal nicht mehr – wie auch alles andere seines vormaligen Besitzes. »Sag«, begann Caitlín, »vermisst du hier eigentlich nichts? Deine
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