Der Schwefelfluss
aber sie beugte sich so weit vor, als wolle sie in die Tiefe springen. Sie weinte. Zärtlich streichelte sie den Säugling, den sie an ihr Herz drückte.
Armos kam näher. Er stieß mit dem Fuß gegen einen hölzernen Eimer, der über blutiges Pflaster rollte. Dann erst konnte er erkennen, dass das Kind tot war, allem Anschein nach unter großen Schmerzen gestorben. Sein kleines Gesicht wirkte verzerrt und war von Geschwüren übersät. Sanft berührte die Mutter es mit ihren Lippen, dann hob sie es hoch und. ..
Armos sprang vor, kam jedoch zu spät. Der Leichnam des Säuglings verschwand im dunklen Brunnenschacht. Gleich darauf ertönte von unten ein leises Klatschen, dem ein dumpfes Gurgeln folgte. Zitternd brach die Frau zusammen.
Der Schmied wusste nicht zu sagen, was ihn dazu trieb, dass er sich trotz seiner Schwäche nach dem Eimer bückte, ihn an das Seil knotete, das über dem Schacht hing, und langsam in die Tiefe ließ. Als er spürte, dass die Last schwerer wurde, drehte er die Winde zurück. Niemand half ihm, den Eimer über den Mauerrand zu ziehen. Er bemerkte nicht das drückende Schweigen, das über dem Platz lag.
Im nächsten Moment prallte er entsetzt zurück. Der Eimer entglitt seinen schlaffen Händen.
Blut schwappte über seine Füße und färbte das Pflaster rot, bevor es im Staub versickerte.
»Dämonenblut!« schrie jemand auf. Armos musste an sich halten, um nicht wie von Furien gehetzt davon zu rennen.
*
»Graf Corian ist soeben eingetroffen.«
Der L'umeyn winkte kurz mit zwei Fingern der rechten Hand und ließ sich ansonsten nicht in seinem Mahl stören, das wie stets ausgezeichnet mundete.
»Er soll sofort zu mir gebracht werden«, ordnete Mormand an, ohne sich von den Humpen Bier und etlichen Salaten, die mit köstlichen Soßen angemacht waren, abzuwenden.
Noch weit mehr als den Frauen war er der Weißen Magie zugetan, was sich nicht zuletzt darin äußerte, dass nicht seinen Leibköchen die Zusammenstellung seiner Menüs oblag, sondern dass dafür ausschließlich die am Hof weilenden Astrologen verantwortlich waren. Zu besonderen Anlässen wurden die Mahlzeiten in magischen Ritualen zubereitet, was böse Geister vertreiben und die Gesundheit erhalten sollte. Tatsächlich hatte der L'umeyn während der langen Zeit seiner Herrschaft noch keine Erkrankung durchstehen müssen. Auch sein magischer Schmuck mochte daran Anteil haben, wie er sich andererseits jeden Schritt, den er tat, von der altüberlieferten Magier-Etikette vorschreiben ließ.
Mormand knabberte soeben am Schenkel einer knusprig gebratenen Wildtaube und leckte seine vom Fett triefenden Finger ab, als die Tür zum Speisesaal aufgestoßen wurde und Graf Corian erschien. Der Edelmann deutete eine flüchtige Verbeugung an. »Du hast mich rufen lassen, L'umeyn.«
Mormand nickte, hieß ihn, sich zu setzen, und schob ihm eine Schüssel voll wohlschmeckender Flussmuscheln zu. »Bediene dich, Graf, denn du wirst ihre magischen Kräfte brauchen.«
Fragend zog Corian die Augenbrauen in die Höhe, schwieg jedoch. Er brach eine der Muscheln auf und musterte sie von allen Seiten.
»Was ist?« fragte der L'umeyn schmatzend. »Sind sie nicht gut? Ich lasse den Koch auspeitschen.«
Graf Corian schüttelte den Kopf. »Ich frage mich nur, ob der Fang aus der Lorana stammt.«
»Ach so.« Mormand machte ein verblüfftes Gesicht. »Du kannst beruhigt sein. Meine Astrologen würden es nicht zulassen, dass Verdorbenes auf den Tisch kommt.«
»Was ist überhaupt geschehen? Schon von weitem sieht man die Stadt unter einer Wolke verborgen, die Pestilenz verbreitet. Dieser Gestank und der schweflige Schleim auf dem Wasser sind abscheulich. Was sagen die Magier dazu?«
»Ich habe bisher nur mit Vassander gesprochen. Du weißt, dass seine Meinung stets die richtige war.«
»Und.« Corian schien erschrocken. »Bewahrheitet sich die Legende von der Blutquelle?«
Der L'umeyn griff nach einem zweiten Humpen Bier und rülpste. »Der Erzmagier meint, dass die Magie der Caer nach Ugalos greift. Sie schicken sich an, auch unser Land mit Finsternis zu überziehen. Jemand muss ihnen Einhalt gebieten und die Völker des Nordens gegen sie in den Kampf führen.«
»Eine wahrhaft ehrenvolle Aufgabe«, nickte Corian.
»... die deinen Fähigkeiten gerecht wird«, vollendete der L'umeyn. »Ich habe dich kommen lassen, um dir den Oberbefehl über das ugalische Heer zu übergeben. Es zählt bereits hundert Hundertschaften gut ausgerüsteter
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