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Der Schwefelfluss

Der Schwefelfluss

Titel: Der Schwefelfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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der Schneefalke kreischend in der Ferne verschwand.
    Was Mythor gefunden hatte, war eine Platte von der doppelten Größe einer Handfläche. Unschlüssig drehte er sie zwischen seinen Fingern. Sie war glatt und spiegelte und besaß eine merkwürdig gezackte Form. An zwei messerscharfen Spitzen konnte man sich leicht verletzen.
    Horn! fuhr es ihm durch den Sinn. Er hielt nichts anderes in Händen als eine Schuppe aus dem Panzerkleid des unbekannten Tieres. Es mochte ein überaus gefährlicher Gegner sein. Noch dazu musste er damit rechnen, ihm jederzeit unverhofft gegenüberzustehen.
    Das Gläserne Schwert leuchtete so stark wie nie zuvor, und sein Klagen ließ Mythor schaudern, als er zuschlug.
    Funkensprühend fraß sich Altons Schneide in die Hornplatte, schnitt sie aber nicht völlig durch. Dazu bedurfte es erst eines zweiten Hiebes. Dann allerdings verblasste das starke Leuchten des Schwertes wieder und wurde so, wie es seit den Ereignissen um den halbblinden Hester war.
    Die Hornschuppe zerbrach in unzählige winzige Stücke, als wäre sie bis eben noch von magischen Kräften zusammengehalten worden. Mythor wollte sich schon abwenden, als ihn ein leises Geräusch aufhorchen ließ. Er sah sich um.
    Die kaum fingergroßen Stücke hatten intensiv zu glühen begonnen. Zischend fraßen sie sich in den Schnee. Dann, von einem Augenblick zum anderen, lösten sie sich auf, als habe es sie nie gegeben. Wären nicht die vielen glasig wirkenden Löcher gewesen, die zurückblieben, Mythor hätte glauben müssen, einem Spuk zum Opfer gefallen zu sein.
    »Magie«, murmelte er, als er zurückstapfte. »Das ist die Macht des Bösen.«
    *
    Die Begrüßung durch den Bitterwolf fiel so stürmisch aus, als sei der Sohn des Kometen tagelang weg gewesen. Hark sprang an ihm hoch, leckte ihm die Hände und ließ ein klägliches Winseln hören. Seine Rute war steil aufgerichtet.
    »Ist ja schon gut, Grauer«, sagte Mythor und kraulte ihm das Nackenfell. »Du hättest ruhig mitkommen können.«
    Die Dämmerung war hereingebrochen. Irgendwo zwischen den ersten funkelnden Sternen flog Horus im Abendwind. Pandor schnaubte ungeduldig, und Hark stieß Mythor immer wieder mit der Schnauze an. Es war unverkennbar, dass der Wolf sich freute. Aber nach wie vor schreckte er vor der Spur im Schnee zurück.
    Hark zeigte die Zähne und packte Mythors Arm. Das Knurren, das er von sich gab, klang nicht gefährlich, eher verspielt. Mythor versuchte, sich zu befreien, aber der Wolf ließ nicht locker und stieß ihn mit den Vorderpfoten an.
    »Ich glaube, du willst mir zeigen, dass deine Wunde verheilt ist. Lass sehen!«
    Hark bellte kurz. Er hielt still, als Mythor die Blätter von seinem Hinterlauf entfernte und vorsichtig über das verkrustete Blut tastete. Dann sprang er so abrupt herum, dass der Krieger den Halt verlor und in den Schnee fiel.
    Sofort war der Wolf über ihm. Auch jetzt biss er nicht zu, obwohl seine scharfen Raubtierzähne gefährlich nahe an Mythors Kehle waren. Der Sohn des Kometen versuchte ihn zu packen, aber Hark war schneller und schüttelte sich. Wieder sauste er wie ein Schemen heran und riss den Mann um, der sich soeben erheben wollte.
    »Schluss jetzt!« schimpfte Mythor, halb verärgert und halb belustigt über die offensichtliche Freude des Tieres. »Gib Ruhe, Hark!« Betont scharf sagte er es, und der Bitterwolf ließ tatsächlich von ihm ab und schaute ihn schräg an, als könne er nicht verstehen, weshalb das Herumbalgen plötzlich zu Ende sein sollte.
    Mythor schnalzte zweimal kurz mit der Zunge, woraufhin Pandor angetrabt kam und ihn aufsitzen ließ. Vor der Spur im Schnee scheute das Einhorn zwar, folgte aber willig einem Fersendruck und galoppierte weiter.
    Irgendwann in der ersten Hälfte der Nacht erreichten sie den Wald, der während des Tages nicht viel mehr als ein dunkler Streifen am Horizont gewesen war. Mit einem sanften Zug an der Mähne brachte Mythor das Einhorn zum Stehen. Er hatte das Tier zuletzt nur langsam geritten, und es schwitzte nicht. Trotzdem rieb er es mit seinem Fellumhang ab.
    Horus ließ sich neben ihm nieder. Der Schneefalke kröpfte eine Maus, die er gefangen hatte. Der Anblick erinnerte Mythor an seinen eigenen knurrenden Magen. Da er den ganzen Tag über kein jagdbares Wild zu Gesicht bekommen hatte, verzehrte er einige der Vorräte.
    In der Krone eines umgestürzten Baumes bereitete er sich schließlich ein dürftiges Lager. Er rechnete nicht mit Gefahren, und wenn, würden seine Tiere

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