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Der Schwefelfluss

Der Schwefelfluss

Titel: Der Schwefelfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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ihn rechtzeitig warnen.
    Doch Mythor fand nur wenig Ruhe. Immer wieder schreckte er hoch, von bösen Träumen geplagt.
    Mehrmals sah er sie vor sich, ihren volllippigen Mund, die dunklen Augen mit den langen Wimpern und das schwarze, zum Zopf geflochtene Haar. Ihre Leidenschaft war berauschend: Nyala von Elvinon. Aber stets wenn er sie an sich ziehen wollte, verblasste die Schönheit ihres Antlitzes, starrte ihn aus ihren Augen Drundyrs gläserne Fratze an. Schaurig klang das Lachen des besessenen Caer-Priesters.
    Mythor erwachte schweißgebadet. Sofort war auch Hark auf den Beinen und kam auf ihn zu. Aber der Krieger schickte ihn mit einer Handbewegung an seinen Platz zurück.
    Schweigend betrachtete er dann das Pergament mit dem Bildnis der unbekannten Schönen. Es schien förmlich zu leben, als er sanft mit den Fingern darüber hinwegstrich. Die Frau hatte so viel Ähnlichkeit mit ihm!
    Eine unstillbare Sehnsucht, ein körperliches Verlangen brannte in Mythor. Er wusste, dass er sie in seine Arme schließen würde, sobald er sie gefunden hatte. Nur sie konnte alle Strapazen und Gefahren wert sein, keine andere Frau auf dieser Welt, selbst Nyala nicht.
    Nachdem er das Bild wieder unter seinem Wams verborgen hatte, schlief er tief und traumlos. Erst das laute Krächzen des Schneefalken vermochte ihn zu wecken. Er erschrak, denn die Sonne stieg bereits über den Horizont herauf und tauchte das Land in den kalten Schein des Morgens.
    Horus zerrte ein blutiges Fellbündel hinter sich her. Einen Hasen, wie Mythor schnell feststellte. Eine ruckartige, kröpfende Bewegung, dann erhob sich der Schneefalke flügelschlagend und ließ sich wenige Schritte entfernt nieder. Seine weißen Augen ruhten unverwandt auf dem geschlagenen Tier, aber er machte keinerlei Anstalten, die Beute aufzureißen. Fast schien es, als wolle er dies Mythor überlassen.
    Der Krieger bückte sich nach dem Hasen. Als habe er nur darauf gewartet, riss Horus jetzt den Schnabel auf und spreizte das Gefieder.
    »Das ist für mich?« fragte Mythor. »Du hättest ihn selbst fressen können.«
    Der Schneefalke sah ihn aufmerksam an und krächzte dazu.
    Hark kam herangetrabt und entblößte seine scharfen Reißzähne.
    »Ich habe noch genügend zu essen in meinen Satteltaschen«, sagte Mythor. »Vielleicht kommen einmal Zeiten, da ich euch dankbar bin, wenn ihr für mich jagt. Aber diesmal ist das noch für euch.«
    Mit dem Schwert zerlegte er den Hasen in zwei ungefähr gleich große Hälften und warf sie dem Bitterwolf und dem Schneefalken vor. Während Hark sich sofort über das warme Fleisch hermachte, verhielt sich Horus abwartend. Erst als der Krieger eine seiner Taschen öffnete und eine Scheibe Speck herausnahm, begann auch er zu fressen.
    Wenig später brachen sie auf. Allerdings musste Mythor schon bald die bisherige Richtung verlassen und nach Westen hin abschwenken, denn der Wald erwies sich als zu dicht, um ein schnelles Vorwärtskommen zu ermöglichen. Wahrscheinlich hatten auch die Verfolgten einen anderen Weg gewählt, falls sie überhaupt bis hierher geritten und nicht schon im freien Gelände abgeschwenkt waren. Mythor verfluchte den Schneesturm, der sämtliche Spuren verweht hatte.
    Die Sonne stand fast schon im Zenit, als er auf eine breite Schneise stieß, die in südlicher Richtung weiterführte. Kurz entschlossen schwenkte er ab.
    Hier kam Pandor schneller voran. Aufmerksam beobachtete Mythor die neue Umgebung. Aber er fand keine Hinweise darauf, dass vor nicht allzu langer Zeit zehn Reiter hier entlanggekommen waren.
    Immer tiefer drangen sie in den Wald ein, und Mythor spielte bereits mit dem Gedanken, umzukehren, als der heisere Schrei eines Raubvogels ihn aufschreckte. Horus kreiste dicht über den Wipfeln der Bäume. Plötzlich stieß er pfeilgerade in die Tiefe, erhob sich aber schon im nächsten Augenblick wieder in die Lüfte.
    Ein schmaler, zum Teil von Eis bedeckter Wasserlauf schlängelte sich zwischen den Bäumen dahin. Quellklares Wasser plätscherte über algenbewachsene Kiesel.
    Mythor vermochte nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Da glitt Horus erneut wie ein gespenstischer Schemen heran. Seine Schwingen berührten fast die Wasseroberfläche, als wolle er auf etwas aufmerksam machen.
    Nur wenige Schritte unterhalb der Stelle, an der Mythor durch den Bach ritt, sah er es aufblitzen. Er sprang ab und bückte sich danach. Es war ein Dolch.
    »Sadagar«, murmelte er, und um seine Mundwinkel begann es zu zucken.
    Was er

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