Der Schwimmer: Roman (German Edition)
uns zur ersten Sandbank geschwommen, zehn Minuten entfernt vom Strand. Er war in der Mitte geschwommen, immer ein paar Stöße vor uns, Isti rechts und ich links hinter ihm. Wenn wir Wasser schluckten, hatte mein Vater gerufen, schwimmt auf dem Rücken weiter, das strengt euch nicht so an, legt euch auf den Rücken, laßt euch ein bißchen treiben, und Isti und ich, wir hatten uns gedreht, auf unsere Zehenspitzen geschaut, die aus dem Wasser ragten, hatten unsere Köpfe nach hinten fallen lassen, die Ohren unter Wasser getaucht, und Isti hatte ein tiefes U gegurgelt, weil er glaubte, so höre sich ein Unterwasserboot an.
Bis zum Abend waren wir auf der Sandbank geblieben, auf einem schmalen Streifen Sand in den Wellen, waren geschwommen, hatten uns ausgeruht, hatten meinem Vater dabei zugesehen, wie er sich schwimmend von uns entfernte, wie er die Hand hob und uns winkte, von der nächsten Sandbank aus, unter einem Himmel, der an diesem Tag nicht blau, sondern gelb war. Isti hatte versucht, ihm zu folgen, mein Vater hatte gebrüllt, war ins Wasser gesprungen, hatte Isti dann geschnappt und ihn auf den letzten Metern auf seinem Rücken sitzen lassen. Jedesmal, wenn mein Vater vorschlug, wir sollten zum Ufer zurückschwimmen, hatten Isti und ich uns geweigert. Wir hatten uns in den Sand gelegt, mit Sand beworfen und beschmiert, hatten uns den Sand aus den Haaren gewaschen und endlich gewußt, wie das ist: im Wasser sein. Wenn Isti in den See sprang und ein paar Stöße schwamm, hatte ich auf seine Beine geschaut, die er schnell und unruhig bewegte. Ein bißchen sah Isti aus wie ein Hund, den man mit einem Stein am Fuß ins Wasser geworfen hat. Noch Jahre später sah er beim Schwimmen so aus. Vielleicht waren es dann nicht mehr seine Bewegungen, vielleicht war es später nur noch sein Blick, der so blieb wie am Anfang. Vielleicht war es auch nur mein Blick, ich weiß nicht.
Als es dämmerte, legte sich mein Vater zwischen Isti und mich auf den Rücken, und die Wellen zogen an seinem Haar, das jetzt aussah wie ein Kranz aus Fangarmen. Die Strände leerten sich, die Hügel änderten ihre Farbe, und erst als Istis Lippen schon blau waren, schwammen wir zurück und zerteilten die Wellen mit unseren Armen. Am Strand stachen uns Mücken, Isti und mein Vater schlugen fluchend auf ihre nasse Haut, daß es klang, als ohrfeigten sie einander. Mir machte es nichts. Auch die roten, wundgekratzten Beine in den Nächten darauf machten mir nichts. Wenn ich wach wurde vom Kratzen, stieg ich hinunter, verließ das Haus und stellte mich zwischen die Weinstöcke, um auf den See zu schauen, der im Dunkeln aussah wie eine Scheibe, wie eine große glatte Scheibe, eingeklemmt, festgehalten, ohne Bewegung.
Isti verbrachte fortan jede freie Minute am Wasser. Er kam nachts zurück, brachte vom Ufer Schilfzweige, die er in die Dachluke klemmte, und Steine, mit denen er einen Pfad vor sein Bett legte, um darauf morgens mit nackten Füßen und ausgebreiteten Armen zur Stiege zu balancieren. Am Tag schwamm Isti Libellen hinterher, vergeblich, und am Abend, wenn es still war, hörte er dem Wasser und den Fischen zu, die man nicht sehen, aber hören könne, wie Isti mir erklärte. Ich saß am Ufer und schaute ihm zu, wenn er unter einem blassen Mond seine Bahnen zog, sein Ohr auf die Wellen legte, seine Hand hob und rief: Ich kann sie hören. Wenn er zu lange tauchte, sprang ich auf, lief ins Wasser, packte ihn und zog ihn hinaus, und Isti schimpfte, weil der Fisch jetzt weg sei, den er belauscht habe, und das sei meine Schuld, allein meine Schuld.
Isti sagte, er trainiere. Für die Zukunft, für die Meisterschaft, für seine Freundin Virág, für die Gesundheit, für eine Schülermedaille, für die Olympischen Spiele in fünfzehn Jahren und für die Familie. Als mein Vater ihn fragte, für welche Familie, erwiderte Isti: für meine, welche sonst. Virág hatte aus Siófok eine Uhr mitgebracht, die Sekunden zählen konnte, und jetzt ging sie mit Isti ans Wasser, steckte am Ufer eine Strecke ab, mit Ästen und Tüchern, nahm die Zeit, die sich am Anfang kaum änderte, und rief sie Isti zu, so laut sie konnte. Isti hob seinen Arm, als Zeichen, daß er verstanden hatte, tauchte hinab, schwamm auf dem Rücken weiter, um zu verschnaufen, legte sein Kinn auf die Brust und gurgelte ein bißchen mit dem Seewasser, weil er glaubte, so machten es die richtigen, die großen Schwimmer, wenn sie auf den Bahnen dieser Welt Medaillen holten. Virág fing an,
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