Der Schwimmer: Roman (German Edition)
auf seine geschwollenen Lider preßte.
Das Haus am See war vor langer Zeit, als es nicht einmal Virág gegeben hatte, mit roter Farbe verputzt worden. Aber wenn wir uns jetzt mit dem Rücken, mit der Schulter an eine Wand lehnten, blieb immer noch ein Rest Rot auf unseren Kleidern, der sich schwer abklopfen ließ, und wenn Virág ihn auf unseren Kleidern entdeckte, sagte sie, jemand hat etwas auf deinen Rücken geschrieben, in roter Farbe. Das Haus stand auf einer Wiese, deren Gras so spärlich wuchs, daß wir die Erde darunter sehen konnten. Isti sagte, wie ein Kopf sehe die Wiese aus, wie ein großer Kopf, dem die Haare ausfallen. Ein bißchen wie Onkel Zoltáns Kopf, oder? Und seitdem, jedesmal, wenn wir über den Rasen liefen, dachte ich, wir spazierten auf Onkel Zoltáns Scheitel, wir sprangen über seinen Schädel, wir stürzten in Richtung seines Nackens, und wir blieben hängen und liegen, dort, wo seine Stirn eingefallen war. Wenn jemand große Haken in den Boden schlug, um ein Zelt für Gäste aufzubauen, für die es im Haus keinen Platz mehr gab, hatte ich Zoltáns Gesicht vor Augen und wie er es unter Schmerzen verzog, und wenn jemand sagte, man müsse die Erde umgraben, damit das Gras besser wachse, glaubte ich, Zoltáns Schreie zu hören.
Isti und ich hatten an einem Sonntag schwimmen gelernt. An einem dieser Sonntage, wie es sie hier oft gab, mit einer Stille, die bloß den Flügelschlag eines Vogels zuließ, der sich im Wein verfangen hat. Virág hatte hinter dem Haus im Schatten gesessen, Zoltán hatte geschlafen, und Ági war an den Reben auf und ab gegangen, um von den Trauben zu kosten, die noch viel zu klein und viel zu grün waren. Mein Vater hatte sich ein Handtuch um den Nacken gelegt, war durch den Garten gelaufen, dann die Straße hinab, und als Isti ihm vom Tor aus hinterherrief und fragte, was er da um seinen Hals gewickelt habe, hatte er uns mitgenommen, nicht zu seinem Platz, sondern zu einem anderen Strand, mit Wespenschwärmen am Wasser, dicht wie Winternebel. Der Sand war dunkel, das Schilf sah fast faul aus. Mein Vater hatte uns befohlen, langsam weiter in Richtung See zu gehen, auf einer schmalen Mauer, uns mit nackten Füßen vorzutasten, die Arme dicht am Körper. Isti und ich hatten die Augen geschlossen. Ich konnte die Flügelschläge der Wespen spüren und die Luft, die sie bewegten. Geht langsam, hatte mein Vater gesagt, auch wenn sie sich auf euch setzen, geht einfach weiter, immer weiter, und dann, am Ufer, hatte er uns gepackt, in den See geworfen und gerufen, schwimmt.
Das Wasser war so flach gewesen, daß sogar Isti an den meisten Stellen hatte stehen können. Mein Vater hatte uns nicht warnen müssen wie damals am Fluß, vor Strudeln, Wasserlöchern oder Strömungen, die uns fortreißen würden. Den ganzen Nachmittag hatte er uns abwechselnd an den Hüften gehalten, mal mit dem Bauch nach unten, mal mit dem Bauch zum Himmel, und Isti und ich hatten mit Armen und Beinen gerudert, wie Schiffbrüchige. Mein Vater war zwei Stöße geschwommen, wir hatten ihm zugeschaut und es dann selbst versucht, er war untergetaucht, wir waren ihm kopfüber gefolgt, hatten uns die Nasen zugehalten, die Augen unter Wasser geöffnet und nicht mehr gesehen als ein dunkles Grün und darin unsere Gesichter, größer als sonst. Wir hatten uns an den Händen gefaßt und die Luft so lange angehalten, daß selbst mein Vater darüber staunte, wie lange wir ohne Luft unter Wasser sein konnten. Isti hatte sich eine Fischwelt vorgestellt, aus kleinen und großen Fischen, und er wunderte sich, daß er jetzt nicht einen einzigen sehen konnte. Wenn wir später am Ufer an einer dieser Buden standen, wo sie Fische in Zeitungspapier verkauften, fragte Isti, von wo kommen diese Fische, wenn wir sie im See nie sehen können?, und ich wußte ihm nichts darauf zu antworten.
Tage hatte es gedauert, bis wir schwimmen konnten, wenigstens ein paar Meter, ohne unterzugehen oder zuviel Wasser zu schlucken, und jeden Morgen, wenn mein Vater den ersten Kaffee mit Zoltán trank, standen Isti und ich schon mit Handtüchern und Badeschuhen in der Tür und warteten. Uns war es gleich, ob es regnete, ob es kalt oder heiß oder schwül oder windig war, ob der Himmel nach einem Unwetter aussah oder das Wasser noch aufgewühlt war, vom letzten Regen. Ági hatte gefragt, Wozu? Wozu müssen diese Kinder schwimmen?, und mein Vater hatte geantwortet, sie müssen eben.
Als er geglaubt hatte, wir seien soweit, war er mit
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