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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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für einen Tag, und Isti weinte vor Wut, über das Sommerende und über Virág. Er wollte nicht einsehen, daß der Sommer enden sollte, er konnte nicht verstehen, wozu gerade der See einen Winter brauchte, und Mihály sagte, es ist nur, damit wir die Trauben lesen können. Er und Tamás kamen zur Weinlese zurück aus der Stadt, mit kurzgeschorenen Haaren, in dunkelblauen Pullundern und passenden Hemden. Sie taten so, als seien sie nie gegangen, warfen Isti in die Luft, fingen ihn wieder auf, und stellten Bierflaschen in die Küche, die sie abends, sobald die Sonne unterging, mit Zoltán und meinem Vater leerten. Morgens klopften sie schon an die Tür, wenn Ági noch im Bademantel war, sagten, wir sind zur Weinlese bestellt, legten die Hände an ihre Schläfen wie Soldaten, und Ági lachte wie ein Mädchen und schnallte auf ihre Rücken Körbe, die sie schon zweimal gefüllt hatten, bevor mein Vater, Ági und Virág ihnen in den Weinberg folgten.

    Isti und ich gingen hinter den anderen, pickten Trauben auf, die auf den Boden gefallen waren, und warfen sie in Virágs Korb. Wenn Onkel Zoltán von der Veranda schrie, warum laßt ihr mich allein, lief Isti zurück und ging dann Hand in Hand mit Onkel Zoltán zwischen den Reben entlang, die manchmal so dicht standen, daß Zoltán aussah wie eingeklemmt, festgehalten an den Schultern, und wenn er den Kopf drehte, über den Reben, hätte man denken können, ihm fehle der Körper dazu. Tamás und Mihály machten selbst aus der Weinlese einen Wettkampf. Sie rannten so, als sei es nichts, mit zwanzig, dreißig Kilo auf dem Rücken einen Hügel hoch, wieder hinab und noch einmal hochzulaufen. Sie versteckten sich hinter Reben, legten einander falsche Fährten, klauten aus dem Korb des anderen, schnappten nach derselben Traube, und einer riß sie dem anderen aus den Händen. Wenn sie dann vor uns standen, mit vollen Körben, und schneller und lauter atmeten als sonst, sagte Onkel Zoltán, hört auf, euch wie Kinder zu benehmen, ausgerechnet Onkel Zoltán sagte das.

    Abends waren Istis Hände und Arme bis zu den Ellenbogen dunkelrot gefärbt, von den Beeren oder von dem, was Tamás und Mihály im Laufe des Sommers auf die Rebstöcke gespritzt hatten, und Isti lief zu jedem von uns, hielt seine Hände dicht vor unsere Augen und stieß ein Geheul aus, von dem er glaubte, es ängstigte uns, bis mein Vater Istis Arme nahm, sie auf den Rücken drehte und sagte, Schluß damit. Ági hatte Zeitungspapier ausgelegt, das ihr die Nachbarn gebracht hatten und das sie seit Monaten unter dem Bett gestapelt hatte. Jetzt lag es auseinandergefaltet auf dem Tisch, auf der Kredenz, auf den Fliesen, in jedem Zimmer, sogar auf der Stiege, die unters Dach führte, und draußen in der Sommerküche, wo mein Vater die Arme ausbreitete und sagte, ich wohne in einem Traubenhaus. Der Boden war bedeckt mit Trauben, mit roten und grünen, und Isti und ich, wir sprangen barfuß hin und her, um Onkel Zoltán herum, der auf einem Stuhl zwischen all diesen Trauben saß, hin und wieder eine Beere nahm und hochhielt, sie zwischen seinen Fingern drehte und dann über sie strich, wie über die Blumen auf dem Wachstuch.

    Isti bückte sich, hob eine Beere auf, steckte sie in den Mund, zerkaute und schluckte sie mit geschlossenen Augen. Er sagte, am Geschmack könne er sie erkennen, die grünen und die roten Beeren, und Virág und ich, wir fütterten ihn, und Isti sagte: rot, oder er sagte: grün, öffnete die Augen, und wir nickten oder schüttelten die Köpfe, und erst als mein Vater meinte, jeder könne eine helle von einer dunklen Traube unterscheiden, hörte Isti auf damit.

    Wir stampften die Trauben, wir preßten sie aus, mit unseren Füßen, mit unseren Händen. Ein paar Kilo verkauften wir unten im Dorf. Ági schickte Isti und mich mit vollen Körben, und wir kamen zurück mit einer Handvoll Forint. Sobald wir zehn Geldstücke beisammen hatten, gab uns Ági eins davon, und Isti sah fortan zu, daß man in kleinen Münzen zahlte. Wir aßen kaum etwas anderes als Trauben in dieser Zeit, morgens, mittags, abends, zwischendurch und ein letztes Mal um Mitternacht, bevor wir zu Bett gingen. Wir spuckten die Kerne durchs Fenster in den Garten, auf den Kieselweg, wir versuchten, ganze Bilder zu spucken und zu raten, was sie zeigten. Wir verschenkten Trauben an Nachbarn, an Verwandte, an Freunde, und Virág brachte den Leuten vom Kartenhäuschen zwei große Kisten, zwei einem Mechaniker, der ihre Csepel reparierte,

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