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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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Schmutz von den Feldern klebte, dazu den passenden Schal und Handschuhe aus Leder, die er gewiß nicht an einer Kleiderausgabe irgendwo hinter der Grenze bekommen hatte. Árpi trug sein Haar an der Seite gescheitelt, und wenn er seinen Kopf vorbeugte, fiel eine dicke Strähne in seine Stirn, die er mit einer langsamen Bewegung seiner Hand zurückschob, so vorsichtig, als könne er sich dabei verletzen. Über seinem rechten Auge saßen zwei dunkle Flekken, dicht beieinander, und wenn Árpi lachte, was selten geschah, verschwanden sie in einer Falte. Weil Pál darauf bestand, bekam Árpi das Bett neben ihm, und sie teilten sich den Schrank hinter dem Waschbecken, in den nicht viel mehr paßte als ihre beiden Mäntel. Schon am nächsten Tag schöpfte Árpi im Speisesaal Essen in Teller, verteilte es an den Tischen, und half seinem Bruder, jedesmal wenn jemand ein Papier brachte, eine Zeitung, einen Amtsbrief, ein Dokument, mit der Frage: Was soll das heißen? Abends stand Árpi am Fenster, an diesem kleinen Barackenfenster mit seinen kurzen Vorhängen, die zur Seite geschoben waren, und schaute hinaus in den Hof und aufs Tor, stundenlang, als wartete er darauf, dieses Tor für jemanden öffnen zu können, und nachts, wenn die anderen in ihren Betten lagen, lief er die Straße vor dem Lager auf und ab, weil er nicht schlafen konnte, und Vali, die ihn einmal so sah, fragte meine Mutter, was ist los mit diesem Árpi?

    Sobald Árpi mehr als drei Zuhörer hatte, im Zimmer, am Tisch oder draußen vor dem Zaun, hinter den Barakken, wo man trotz der Kälte und des Regens oft und lange stand und sprach, fing er an zu stottern, weil ihm die Worte vor zu vielen Gesichtern verlorengingen und er sie nicht wiederfinden konnte, wie sehr er auch nach ihnen suchte - so erklärte es Árpi selbst. Vali glaubte, zweimal hinschauen zu müssen, um Árpi einmal sehen zu können. Wie etwas Halbes sehe er aus, etwas, das geteilt worden sei, sagte sie zu meiner Mutter, jedesmal wenn sie mit Árpi gesprochen, jedesmal wenn sie mit ihm gegessen hatten. Trotzdem gehörte Árpi sehr schnell zu den wenigen, deren Namen jeder im Lager kannte. Selbst der Hausmeister zog vor Árpi den Hut, vielleicht, weil er in ihm etwas sah, das er in den anderen nicht finden konnte, und nach dem ersten Spaziergang durch das Städtchen, als Árpi seinen Schirm auch über Valis Kopf gehalten und ihr seinen Schal um die Schultern gelegt hatte, gestand Vali meiner Mutter, dieser Árpi, er gefällt mir.

    Árpi hatte zu spät versucht, nachts mit seinen Freunden über die Grenze zu gehen, sie hatten zu lange gewartet. Sogar nach den fünf Tagen himmlischer Ruhe, wie sie später genannt wurden, in denen niemand wußte, was war oder was kommen würde, selbst da hatten sie noch gewartet, auf was, hatte Árpi nicht mehr sagen können. Erst als sie ahnten, was geschehen war, mit ihnen und diesem Land, als sie sicher waren, jetzt würden sie es nicht ändern können, vielleicht nicht einmal später, weil etwas aufgehört hatte, sich zu bewegen, weil es mitten in seiner Bewegung einfach stehengeblieben war, erst da setzten sie sich in einen Zug, der Richtung Westen fuhr.

    Sie stiegen weiter südlich als meine Mutter und Vali aus einem Zug, fielen in einem Dorf auf, weil sie eine Fahne trugen und Lieder sangen, so laut, daß die Menschen im Dorf nach einem Blick auf die Straße Tore und Fensterläden schlossen. Sie wurden von Grenzposten entdeckt und festgehalten und hinter dem Zoll in eine Amtsstube gebracht, in der es nach Rauch und Bohnerwachs stank. Sie mußten warten, auf was, wußte keiner, vielleicht nicht einmal der Grenzposten, der die ganze Nacht über vor der Tür stand und eine Zigarette nach der anderen rauchte, Árpi und seinen Freunden aber nicht eine davon anbot. Als Árpi versuchte, auf ihn einzureden, mit den wenigen Worten Russisch, die er kannte, und seine Sätze begann mit jeder von uns und wir alle , schaute der Grenzposten zu Boden. Árpis Worte konnte er zwar hören, aber nicht eines davon verstehen, und ein wenig sah er aus wie ein Kind, das auf seine Strafe wartet und nicht wagt, seinen Kopf zu heben, aber vielleicht wollte es Árpi auch nur so sehen. Als er den Soldaten fragte, ob er ihn nicht hören, nicht verstehen könne, ob er deshalb langsamer sprechen solle, und dabei seine Hand am Ohr kreisen ließ, fast wie eine Drohung, ach, und ob er vielleicht auch für sie eine Zigarette hätte, eine von diesen guten dunklen russischen, sie würden es ihm

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