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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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dieser letzte Blick über die Felder.

    Noch in dieser Nacht wurde Árpi mit einem Transporter in die Nähe seiner Heimatstadt gebracht, nur zwei Dörfer, dann noch ein paar Straßen weiter, und später fragte er sich und die anderen im Lager, warum er nicht nach Hause gegangen war, um sein Leben dort weiterzuleben, um es fortzusetzen, die letzten Tage einfach zu übergehen wie etwas, das nicht passen wollte, das nicht einzufügen war. Er fragte sich, was es gewesen war, das ihn dazu gebracht hatte, es wieder und wieder mit dieser Grenze zu versuchen, mit diesem Strich Land, diesem flachen Graben zwischen Ost und West. Diesmal entließen sie Árpi nicht mit einem bloßen Fußtritt. Sie sperrten ihn ein, in eine der Schulen, die man jetzt benutzte, weil es keine Gefängnisse mehr gab, die noch jemanden hätten aufnehmen können. Gleich in der ersten Nacht sprang Árpi aus einem Fenster im oberen Stock, verletzte sich den Fuß, versuchte hinkend, das Schulgelände zu verlassen, wurde erwischt von einem Wachposten, der ihn mit Stiefeln die Treppen hochtrat, Stufe für Stufe zurück zum Klassenzimmer.

    Árpi legte sich auf den Boden, auf die Dielen aus Holz, zwischen die Schulbänke, und seinen Fuß, den er mit einem nassen Tuch verbinden durfte, stützte er an die Wand. Er blieb so liegen, tagelang, schaute sich die Schulbänke von unten an, ließ seinen Blick wandern, von Bank zu Bank, und hoffte darauf, die Schwellung an seinem Fuß würde zurückgehen. Bei Tageslicht schlief er ein, und nachts, wenn die anderen schliefen, blieb er wach. Immer wieder befühlte er seinen Knöchel und hörte dabei auf die Geräusche im Hof und auf der Straße, auf Stimmen, auf einen Motor, auf das Schlagen einer Tür, auf die Räder eines Wagens, auf das Bellen eines Hundes. Er wartete so lange, bis er seinen Fuß wieder bewegen und mehr als zwei Schritte laufen konnte.

    Jeden Tag versicherte Árpi den Soldaten, er wolle nicht in den Westen, nein, und den anderen im Klassenzimmer sagte er, er wolle zurück in seine Heimatstadt, nur noch dorthin, zurück zu seiner Familie, zu Mutter und Vater, und er wiederholte es oft genug und laut genug. Als sein Fuß fast geheilt war, tat er sich mit jemandem zusammen, einem Lajos, und sprang nach ihm aus dem Fenster, in der ersten Nacht, in der sie zwei Wachposten abgezogen hatten. Sie rannten über den Hof, kletterten über den Zaun, Árpi zog sich an den Armen hoch, weil sein Fuß ihn schmerzte, und dann liefen sie die Straße hinunter, schnell, keuchend, stolpernd, ohne einen Blick zurück, hinaus aus dem Städtchen, dessen Wege leer und still waren in dieser Nacht. Über die Felder kamen sie bis zum nächsten Dorf, und hinter den letzten Häusern nahmen sie einen Weg, von dem sie glaubten, er würde Richtung Westen führen. Und dort, erst dort, vor einem Graben, über den Árpi nicht springen konnte, blieben sie stehen, schnappten nach Luft, kamen wieder zu Atem, schauten sich an und fingen an zu lachen, zuerst nur leise, dann lauter, schließlich so laut, daß sie glaubten, man hätte es bis zur Schule hören müssen.

    Diesmal teilte Árpi den Weg zur Grenze in kleine Abschnitte, weil er glaubte, so keine Spuren zu hinterlassen, für wen auch immer. Erst nahmen er und Lajos einen Zug, aus dem sie nach vier Stationen ausstiegen, weil er kaum schneller fuhr als sie liefen, selbst mit Árpis verletztem Knöchel. Eine Weile gingen sie über die Landstraße, und jedesmal wenn sie einen Motor hörten, drehten sie sich um, sofort bereit, in einen Graben zu springen, wenn am Ende des Weges ein Wagen mit Soldaten aufgetaucht wäre. Dann fuhren sie mit einem Bus, nicht länger als zwei, vielleicht drei Stunden, und es wunderte sie, daß sie niemandem auffielen, so, wie sie da saßen, ohne Gepäck, mit schmutzigen Haaren und Kleidern, mit einem Fuß, von dem Árpi den Schuh gezogen hatte und den er jetzt auf einem Sitz ruhen ließ.

    Als es dunkel wurde, sagte Árpi, er könne nicht einen Meter mehr laufen mit diesem Fuß, und auch Lajos müsse sich ausruhen, wenn sie beide heil über diese Grenze kommen wollten, und dann klopften sie irgendwo südlich von Szombathely an ein Tor, Árpi konnte später nicht mehr sagen, warum ausgerechnet dort, bei diesem Haus, bei diesem Hof, vielleicht war es das Licht in seinen Fenstern, vielleicht war es auch nur die Müdigkeit, die sie nicht weitergehen ließ. Der Fremde stellte keine Fragen, er schaute an beiden hinab, sein Blick blieb an ihren schmutzigen Kleidern

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