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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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Straße auf und ab ging, trotz seines kranken Fußes, bis zur nächsten Kreuzung und wieder zurück, allein, ohne Gesellschaft, auch wenn man sie ihm angeboten hatte, wenn er so lief, als sei es seine Aufgabe, die anderen zu bewachen, dann versuchte er, diesem Schmerz zu entkommen, der sich seit jenem Morgen hinter seiner Stirn festgefressen hatte, wie Árpi sagte. Er legte seine Hände an die Schläfen und drehte und wendete den Kopf, als könne er sich so von diesem Schmerz befreien, als könne er ihn so aus seinem Kopf pressen. Es höre nicht auf, in ihm zu schreien, sagte Árpi, und meine Mutter fragte Vali später, weißt du jetzt, was mit diesem Árpi ist?, und Vali antwortete, ja, jetzt weiß ich es.

Inge.
    An dem Morgen, als Árpi anfing, in Worten und nicht mehr in Bildern zu träumen, als er sagte, die Bilder seien verschwunden und er müsse selbst im Schlaf Buchstaben zusammenfügen, als er fragte, wann solle er, wann dürfe er sich ausruhen?, verließen meine Mutter und Vali das Lager. Nicht wegen Árpi, eher wegen der großen Schlägerei, bei der zwei Männer aneinandergeraten waren, die sich zuerst betrunken, dann beschimpft und dann verprügelt hatten.

    Meine Mutter und Vali fuhren Richtung Norden, mit einem Bus, zu dem sie die Brüder Máté an einem Morgen im Dezember brachten, während die anderen im Lager noch schliefen. Vali und meine Mutter hatten über Nacht beschlossen wegzugehen. Warum in dieser Nacht, wußten sie nicht mehr, vielleicht war das Ticken des Weckers lauter, vielleicht war das Licht einer Straßenlaterne heller als sonst gewesen. Vielleicht hatten sie auch genug von allem, von den Kartenspielen am Abend, mit einem, den die Männer Kapitän nannten, von den fünf Mark Taschengeld die Woche und den Dingen, die man an sie verteilte, Perlonstrümpfe mit Naht an die Frauen, Zigaretten an die Männer. Sie waren aufgewacht, nebeneinander, wie in den Wochen zuvor, wie an jedem Morgen, seit sie hier angekommen waren, hatten sich angeschaut und gewußt, jetzt, heute, an diesem Morgen würden sie ihre Sachen packen, die wenigen, die sie hatten. Vielleicht, weil sie den Geruch in den Baracken nicht mehr ertragen konnten, vielleicht, weil sie dieselbe Straße nicht länger auf und ab gehen wollten, vielleicht, weil ihnen etwas im Städtchen, draußen im Hof, im Speisesaal, im Klappern der Löffel gesagt hatte, es ist Zeit.

    Jemand im Lager hatte sie wissen lassen, daß sie jederzeit in einer Stadt weiter oben im Norden würden arbeiten können, sogar ein Zimmer würde man ihnen überlassen, dazu gebe es Frühstück und ein warmes Essen jeden Tag. Und so fuhren sie, an diesem Morgen, in eine Zukunft, die sie nur ahnten und sich ein wenig so vorstellten wie das, was sie hier, zwischen den Zäunen des Lagers und in den Straßen ringsum gesehen hatten, wenn sie aus dem Barackenfenster in den Hof geschaut oder wenn sie sich in einen Bus gesetzt hatten, um drei, vier Stationen später auszusteigen und durch das Städtchen zu laufen.

    Als sie die Tore zum Lager hinter sich schlossen, steckte Árpi Vali einen Zettel zu, den sie in ihre Manteltasche gleiten ließ, ohne darauf geschaut zu haben. Sie mußten den Brüdern Máté versprechen zu schreiben, jede Woche eine Karte, mindestens, und sie mußten versprechen, daß sie sich wiedersehen würden, bald schon. Sobald einer von Arbeit wüßte, von besserer Arbeit, nicht dort oben im Norden, sondern hier in der Nähe, in einer Stadt, in der sie leben könnten, alle zusammen, würde er den anderen schreiben, das hatten sie einander versichert. Und Weihnachten, fragten die Brüder Máté, und sie wiederholten es oft, dieses eine Wort: Weihnachten, sollten sie nicht an Weihnachten zusammen sein? Sollten sie, sagten Vali und meine Mutter, stiegen in den Bus, mit einer Tasche nur, ohne Koffer, immer noch, nahmen zwei Stufen auf einmal und setzten sich ans Fenster, dort, wo Árpi seine Hand auf die Scheibe gelegt und der Staub die feinen Rillen seiner Finger gezeigt hatte.

    Der Abdruck blieb. Selbst das Wasser, das hochspritzte, jedesmal, wenn der Bus durch Pfützen fuhr, ließ diese Stelle aus. Allein schon deswegen, sagte Vali, müsse sie Árpi wiedersehen. Sie holte den Zettel aus ihrer Manteltasche, las laut vor, was Árpi geschrieben hatte, und wiederholte es während der Fahrt so oft, bis meine Mutter es nicht mehr hören wollte.

    Nach Stunden kamen sie an, in einer Stadt, die so grau gewesen war wie bei uns der Schmutz auf den Straßen, mit

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