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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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Ruine.

    Unten an der Anlegestelle sagte man, Mihály sei es gewesen. Daß Tamás kurz vorher allein die Fähre genommen hatte, um nach Budapest zurückzukehren, hielt man für ein sicheres Zeichen, und Mihály machte sich nicht die Mühe, den Verdacht zu zerstreuen, allein, weil man zwei Dörfer weiter schon glaubte, Zoltán sei es gewesen und schuld hätten Ági und Virág, die ihn allein gelassen hatten, und vielleicht war es wirklich so gewesen: Zoltán war abends aufgewacht, war aufgestanden, um seine Hosen auszuziehen, hatte bei Kerzenlicht gesessen und dann vergessen, die Flammen auszupusten, bevor er wieder eingeschlafen war.

    Isti und mir, uns war es gleich, wie oder wer es gewesen war, ob Mihály, in einem Taumel, oder ein anderer, Tamás vielleicht, in einer Wut, in einer Laune, aus einem Grund, der kein wirklicher Grund war, oder Zoltán, weil ihm die Hitze gefiel, das Licht, die Funken, von denen man später sagte, bis zum Ufer hätten sie geleuchtet. Uns wunderte nur, daß bei allem Gerede unten am See und in den Dörfern auf der Straße nach Siófok oder Badacsony ein Name nie fiel: Irén.

    Noch jahrelang wurde davon gesprochen, wer es hätte sein können und warum. Sobald es einen neuen Verdacht gab, gab es auch eine neue Geschichte dazu, und sie wurde weitergesponnen in den Häusern am See und an den Ufern, beim Baden, beim Spazieren, beim Rudern. Nur wir, Isti und ich, wir hörten auf zu fragen, wer es gewesen sein könnte, weil es nichts änderte, nicht für uns. Alles, was wir wissen wollten, war, wieviel Zeit uns blieb, bis wir aufbrachen.

Ánna.
    Am Abend vor der Abreise verabschiedeten wir uns vom Wasser. Mein Vater hatte versprochen, mit uns hinauszuschwimmen, ein letztes Mal, und es war eines der wenigen Versprechen, die er gab und hielt, vielleicht, weil er sehen konnte, wie es Isti schmerzte, wie er sich unter Schmerzen zu winden schien, seit wir wußten, wir fahren, vielleicht, weil es jeder sehen konnte, selbst Zoltán, der fragte, was ist mit diesem Jungen?

    Unser Vater lief vor uns zum See hinunter, ohne Hemd, ohne Schuhe, mit einem Handtuch, das Virág in der Sommerküche gefunden und um seinen Hals gelegt hatte. Er lief so schnell, daß Isti und ich glaubten, er wolle uns abhängen, er wolle ohne uns weiter, auch am nächsten Tag das Schiff, den Zug ohne uns nehmen. Hinter einer Reihe von Häusern zeigte er uns einen kleinen Strand, den Isti und ich nie entdeckt hatten: tanzende Boote, zwei auf hellem Sand und die Äste eines Baumes, die übers Wasser ragten. Unser Vater setzte sich, lehnte sich an ein Boot, stieß den Rauch seiner Zigarette in die Luft, auf seine Art, die sein Gesicht versteckte, und schaute auf den See, aufs Wasser, weit hinaus. Er schien einen Punkt gefunden zu haben, auf den Wellen, die sich kaum zeigten bei diesem Wetter, und es kümmerte ihn nicht, wenn Isti und ich auf den Baum kletterten, uns wie Affen an die Äste klammerten und schreiend in den See fallen ließen.

    Erst als sich die Sonne senkte, stand er auf, stieß sich von einem Steg ab und landete kopfüber im See, tauchte auf, rief unsere Namen, und Isti und ich, wir liefen ins Wasser, so schnell, daß es hochspritzte, bis zu unseren Schultern, und dann schwammen wir hinaus, diesmal nebeneinander, auf gleicher Höhe, unser Vater kein bißchen schneller als Isti und ich, und ich wußte nicht, war es, weil wir schon besser schwammen, war es, weil er langsamer geworden war oder weil er wirklich auf uns wartete. Auf der Sandbank fing Isti an zu reden, er sagte, er brauche kein Zimmer, kein Bett, keine Decke, nichts brauche er, nicht einmal ein Kissen zum Schlafen, und das Dach würde er ausbessern, Mihály würde ihm dabei helfen, sicher, Mihály habe es schon versprochen, und er redete und redete und zählte Dinge auf, die er nicht brauchte, alles, was ihm einfiel, alles, was es in Ágis Haus gegeben hatte, noch vor wenigen Wochen, Teekannen, Porzellantassen, Löffel, Stühle, Betten, Schränke, Hosen, alles, von dem er glaubte, es würde helfen, unseren Vater umzustimmen, es würde ihn abhalten davon, den See zu verlassen.

    Unser Vater lag neben Isti auf dem Rücken, auf seine Ellbogen gestützt, schaute auf seine Füße wie auf etwas, das nicht zu ihm gehörte, schaute wieder zum Ufer, und alles, was er sagte, war, es ist gut, wenn du kein Zimmer und kein Bett brauchst, dort, wo wir sein werden, wird es das nicht geben, und dann stand Isti auf, ging vor zum Wasser, drehte sich um zu uns, breitete

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