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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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er es war, der durchs Leben glitt, ohne Anstrengung. Schon wie er Fäden kappte, wie er sie zerschnitt, mühelos, wie er Spuren verwischte, Fährten, denen ohnehin niemand hätte folgen können, um uns zu finden, und ich weiß nicht, ob es mich jetzt, wenn ich daran denke, stören soll, daß es so war, ob es mich überhaupt jemals gestört hat. Ich glaube, wir hatten uns gewöhnt an dieses Kommen und Gehen, an dieses Aufhören und Anfangen, wie man sich gewöhnt an etwas, von dem man weiß, es wird bleiben, ob man möchte oder nicht. Wir störten uns selbst an der Langsamkeit nicht mehr, mit der unser Leben ablief, was immer das auch war, wo immer es sich abspielte.

    Isti war am Bahnsteig eingeschlafen, auf einer Bank, unter der Mittagssonne, hatte auf der Seite gelegen, sein Kopf auf seinem ausgestreckten rechten Arm. Hin und wieder war der Blick eines Fremden an ihm hängengeblieben, im Vorbeigehen, weil Isti nichts anhatte als ein Männerhemd, das ihm bis zu den Knien reichte, vielleicht auch, weil Isti aussah, als sei er davongelaufen. Das Schwimmen hatte ihn erschöpft, auch der Abschied, den er hatte vermeiden, übergehen wollen, dann der Blick aufs Wasser, vor uns, hinter uns, das Warten und Schauen, ein letztes Mal, und später, auf einer Tafel, die Abfahrtszeiten der Züge, die wir leise vor uns hersagten, jeder für sich. Als der Zug einfuhr, brachte unser Vater erst die Kiste ins Abteil und ging dann zurück, um Isti zu holen, den er so trug, daß seine Füße immer wieder hängenblieben in einer Tür, an einem Griff, an einem Haken. Isti wachte auf, als es schon dunkel war, legte seine Hände ans Fenster, ohne etwas zu sagen, und tat so, als könne er draußen, hinter unserem Spiegelbild, etwas erkennen. Unser Vater verließ das Abteil, und Isti sagte, er wolle das Weinen verlernen, er wolle aufhören damit, und er drehte sich nicht um zu mir, er schaute weiter auf sein Spiegelbild, durchs Fenster in die Dunkelheit, und ich erwiderte, gut, laß es uns verlernen.

    Wir legten uns quer über die Sitze, hörten auf das Drehen der Räder und schauten auf Istis nasse Schuhe unter dem Fenster. Vor Jahren waren wir diese Strecke gefahren, Isti hatte keine Erinnerung daran, aber ich hatte sie, Isti war so klein gewesen, daß ihn unsere Mutter in ein Kopfkissen hatte wickeln können. Die Mutter unseres Vaters war nie zu uns nach Vat gekommen, weil sie ihrem Sohn nicht verziehen hatte, daß er gegangen war und sie zurückgelassen hatte, an diesem Ort, an dem es immer roch, als habe es geregnet, ohne daß es geregnet hatte, und an dem der Mond aussah wie die Hälfte einer Zitronenscheibe.

    Unser Vater begrüßte seine Mutter wie ein Läufer, der weit vor den anderen das Ziel erreicht. Über die Gleise war er gelaufen, fast gesprungen, und Isti und ich, wir waren ihm gefolgt, durch die Dunkelheit, immer drei, vier Schritte hinter ihm. In einen schmalen Weg mit einer Reihe Pappeln waren wir eingebogen, hinter den letzten Häusern, unser Vater hatte ein Gartentor geöffnet, die Kiste abgesetzt, und jetzt lief er über den Hof, hob die Arme hoch, als warte er auf Beifall, auf Glückwünsche. Einen Augenblick lang sah es aus, als würde seine Mutter anfangen zu klatschen, aber dann ließ sie ihre Hände doch fallen, auf ihre Hüften, und blieb stehen, im Türrahmen, und tat nicht einen Schritt auf uns zu, um uns zu begrüßen, und Isti fragte leise, warum kommt sie nicht?

    Ihre Haut war fast durchsichtig, und ihre Umrisse waren so unscharf, als würde sie verschluckt werden von dem, was sie umgab. Es war schwer zu sehen, wo sie aufhörte und wo das andere begann, das Zimmer, das Haus, der Hof, die Straße, das Dorf. Sie ging jetzt leise, fast schwebend, zeigte uns den Weg, erst durch die Küche, dann ins Zimmer, in dem nichts war außer zwei Betten, einem Sofa und einem Schrank, und sie ging um die Betten herum und sagte in die Luft: die Kinder sind da, und dann ging sie am Schrank entlang, als wollte sie uns zeigen, daß sie so laufen konnte, wie sie lief. Dann, später, legte sie Wert darauf, daß auch ich es versuchte, daß auch ich genauso leise ging, weil sie glaubte, eine Dame erkenne man daran, daß sie nicht zu hören sei, und manchmal erschraken wir, Isti und ich, weil sie plötzlich hinter uns oder neben uns stand und wir sie nicht hatten kommen hören.

    Wenn sie ihre Hände von der Tischplatte nahm, hinterließ sie Abdrücke mit ihren Fingern, und wenn sie mich am Arm faßte, waren ihre Hände kalt, auch

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