Der Schwimmer: Roman (German Edition)
Wasser zu verabschieden als von Virág oder Ági oder Zoltán. Er schaute auf den See, der neben der Mole zu flach war, um darin zu schwimmen, auf die Steine, dort, wo Virág Iréns Schuh ins Wasser geworfen hatte. Er achtete nicht mehr auf uns, und er hörte Virág nicht, die fragte, Isti, willst du dich nicht von uns verabschieden?
Die Männer vom Schiff kletterten auf die Mole, sie wußten, heute würden wir fahren, drückten meinem Vater die Hand, wünschten uns Glück, und als mein Vater zwei Schritte mit ihnen lief, löste sich Isti von uns und sprang in seinen Kleidern ins Wasser, in dieses flache Wasser, das rund um die Anlegestelle schmutzig war, tauchte mit dem Kopf unter und schwamm ein paar Stöße zwischen den Steinen. Mein Vater brüllte, du steigst aus dem Wasser, sofort!, und er hob seinen Arm und deutete zum Ufer, als müsse er Isti zeigen, wo das Ufer war, und die Männer vom Schiff und Virág und ich, wir mußten lachen, über Isti, wie er versuchte zu schwimmen, in diesem flachen Wasser, zwischen Steinen und Pfählen, und über meinen Vater, der nichts tun konnte als brüllen.
Erst als jemand vom Kartenhäuschen schimpfte, dies sei kein Ort zum Baden, stieg Isti aus dem Wasser, und Ági hielt meinen Vater zurück, bis sie sicher war, er würde darauf verzichten, Isti zu ohrfeigen. Virág und Ági drückten Isti an sich, es war ihnen gleich, ob sie naß wurden davon, Ági fuhr sogar durch Istis Haar und knetete es ein wenig, um es zu trocknen. Zoltán schaute hinab, auf die kleine Pfütze zu Istis Füßen, in die das Wasser von seinen Kleidern tropfte, und weil mein Vater sich nicht rührte, sagte Ági zu Zoltán, zieh dein Hemd aus, und Zoltán zog es über den Kopf, ohne es aufzuknöpfen, Virág zog Isti, der sich nicht wehrte, die nassen Kleider aus, und Ági streifte Isti das Hemd über, an dem es aussah wie ein Mantel. Virág nahm Istis Hand, bevor er über das Gitter an Bord ging, fragte, wer wird jetzt für mich trainieren?, und Ági umarmte meinen Vater, und so standen sie eine Weile, und dann sagte sie seinen Namen, nur: Kálmán, und wieder: Kálmán, nur soviel. Vom Schiff aus schauten wir ans Ufer, so lange, bis vor meinen Augen gelbe und schwarze Punkte tanzten. Isti sagte, wie ein Haus sehen sie aus, wie ein kleines Haus mit einem Dach über dem Kopf, wie sie so stehen, Zoltán als Größter in der Mitte, und mein Vater sagte, kein Mensch kann aussehen wie ein Haus, was redest du.
Ich hatte nicht sagen können, Auf Wiedersehen, wir schreiben, wir sehen uns. Ich hatte Virág nicht umarmt, und auf dem Schiff wußte ich nicht mehr, ob sie mich umarmt hatte, dort unten, auf der Mole. Ich war nicht wie die anderen losgelaufen, um mich dann, kurz bevor ich an Bord gegangen war, umzudrehen, zu winken und zu rufen. Ich hatte nur darauf geachtet, meine Füße aufs Gitter zu setzen, beim Gehen nicht zu rutschen, hatte auf das Wasser unter meinen Füßen geschaut, und darauf, wie das Gitter es in winzige Vierecke teilte. Isti schien Virág vergessen zu haben, sobald unser Zug aus Siófok hinausfuhr, so wie er alles vergaß, weil er es vergessen wollte, und ich, ich wußte nicht, wie ich aufhören sollte, an sie zu denken. Daran, wie sie im Schnee vor Mihálys Fenster gestanden hatte, hinter Isti und mir, wie sie am Ufer die Zeit genommen hatte, wenn Isti schwamm, und wie sie das mit ihrem Haar machte, wenn sie es an den Seiten um ihre Zeigefinger drehte, bevor sie es hochsteckte.
Am Bahnhof von Siófok eröffnete uns mein Vater, daß wir dorthin fahren würden, wohin er schon vor Jahren hatte fahren wollen, damals, als wir Vat verlassen hatten: zu seiner Mutter, an den äußersten Punkt des Landes, wie er sagte, vor der nächsten Grenze, weit hinter Miskolc. Damals hatte Isti im Zug geweint und geschrien, unser Vater hatte die Nerven verloren, wir waren in Budapest geblieben, und Isti und ich, wir hatten seitdem gehofft, alles käme anders, und heute glaube ich, auch unser Vater hatte sich alles anders gewünscht, als es gekommen war. Er saß uns gegenüber, unter Ágis Kiste, die in einem Netz über seinem Kopf zitterte, jedesmal wenn der Zug bremste, und ich hatte das Gefühl, Isti und ich, wir waren bloß zwei Zusätze, die an ihm, an seinem Leben klebten und die er nicht mehr loswurde. Wir gehörten zu ihm, auf irgendeine Weise war es so, und er duldete uns, wie er alles um sich herum duldete, gleichgültig, was es war. Damals wußte ich nicht, ob sein Leben an ihm vorbeiglitt oder ob
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